
In Wuppertal griffen rechte Hooligans Besucher des Autonomen Zentrums an und verletzten eine Person mit Messerstichen lebensgefährlich. Der Mann liegt weiter im Koma. Die Angreifer sollen im Vorfeld der Attacke mit rechten Parolen und "HoGeSa"-Rufen provoziert haben.
Von Felix Huesmann, Erstveröffentlichung bei Vice.com
Samstagnacht vor zwei Wochen (11. April), gegen 01Uhr. Drei Männer tauchen vor dem Wuppertaler Autonomen Zentrum auf und provozieren die Besucher mit "HoGeSa"-Sprüchen. Wenig später kommt es zum Angriff: Einer der Männer sticht einem 53-jährigen AZ-Besucher mehrfach in den Rücken und verletzt ihn lebensgefährlich. Selbst zwei Wochen später liegt das Opfer weiter im künstlichen Koma. Nachdem die Täter erst unerkannt fliehen konnten, sitzt einer von ihnen mittlerweile in Untersuchungshaft.
Dazu, was nach dem Angriff geschehen ist, gehen die Darstellungen auseinander. Nachdem der Verletzte in den Räumen des Autonomen Zentrums in Sicherheit gebracht und ein Krankenwagen gerufen wurde, traf auch die Polizei am Tatort ein. Die schreibt wenige Stunden später in einer Pressemitteilung: "Erst durch den Einsatz von Pfefferspray und mittels Schlagstock konnten die Einsatzkräfte den Verletzten zur weiteren ärztlichen Versorgung aus dem Gebäude retten." Mehrere lokale Medien übernehmen diese Version.
Zwei Tage später weist das Autonome Zentrum die Darstellung auf seiner Website zurück. Erste Rettungskräfte hätten direkt mit der Erstversorgung begonnen, die Polizei den Notarzt aber nicht ohne großes Polizeiaufgebot ins Haus gelassen und seine Hilfe damit verzögert. Weiter heißt es, die Polizei hätte später wahllos mehrere Türen eingetreten, um nach möglichen Tätern zu suchen—dabei habe man den Beamten extra den Schlüsselbund ausgehändigt.
Tatsächlich liest sich die Pressemitteilung der Wuppertaler Polizei ein wenig so, als seien die AZ-Besucher selbst die Täter. Wie es von der Staatsanwaltschaft heißt, wurden alle zunächst als Beschuldigte vernommen. Die Wuppertaler Polizei will sich dazu nicht äußern und verweist auf die Staatsanwaltschaft. Genaue Angaben dazu, was nach dem Notruf passiert ist, kann oder will man aber auch hier nicht machen.
Wer sind die Täter?
Nach dem Angriff waren die drei Täter zuerst unerkannt geflohen. Die Polizei fand wenig später in der Nähe des Autonomen Zentrums einen 25-jährigen mit mehreren Schnittverletzungen und brachte ihn ins Krankenhaus. Woher die Verletzungen stammen, ist unklar. Der Mann stritt zunächst ab, in den Angriff verwickelt gewesen zu sein, sitzt jedoch mittlerweile in Untersuchungshaft. Zeugen hatten ihn beschrieben und an der später gefundenen Tatwaffe fand das LKA sein Blut. Auch die beiden anderen mutmaßlichen Täter sind mittlerweile ermittelt. "Gegen die liegt aber kein dringender Tatverdacht vor", sagt die Wuppertaler Staatsanwältin Monika Olschak. Deshalb sind die Männer weiterhin auf freiem Fuß.
Der 25-jährige Messerstecher gab seine Tat inzwischen zu, versucht aber, sie als Notwehr darzustellen. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Zu den genauen Geschehnissen will die Staatsanwältin hält sich die Staatsanwaltschaft bedeckt und verweist auf die laufenden Ermittlungen. Die zwei anderen Tatverdächtigen sagen nichts - das Opfer des Angriffs liegt weiterhin in einem künstlichen Koma und kann nicht befragt werden.
Täter ist durch rechte Straftaten bekannt
Klar ist aber: Der 25-jährige mutmaßliche Täter ist laut Staatsanwaltschaft auch vorher schon durch rechte Straftaten aufgefallen. Äußerungen von Neonazis auf Facebook scheinen nahezulegen, dass es sich dabei um den Wuppertaler Patrick P. handelt.
Schon zwei Tage nach dem Angriff schrieb der Oberhausener Neonazi Mario L. auf seiner Facebook-Seite und der lokalen Seite der Neonazipartei "Die Rechte" unter der Überschrift "Kurze Klarstellung zum Vorfall in Wuppertal Samstag Abend": "Erstmal gute Besserung an Patrick P. Einer meiner besten Kumpels!" Außerdem, so Leisering, sei das keine HoGeSa-Aktion gewesen: "[...] und nur mit drei Leute gezielt im AZ Wuppertal auftauchen? Sorry dann wären es mindestens 100 von uns gewesen!" Das klingt wie eine Fantasie des rechtsradikalen Hooligans, der sich scheinbar mit größeren Angriffsversuchen auf linke Veranstaltungen auskennt.
Schon im März hatten vier Hooligans nach der Pegida-Demonstration in der Stadt vor dem Autonomen Zentrum gepöbelt, mit Flaschen geworfen und wurden von der Polizei festgenommen.
Rechte Gewalt: In Wuppertal nichts Neues
Der Angriff war vielleicht der bislang krasseste, aber längst nicht der erste Fall von rechter Gewalt in Wuppertal. Es gibt in der Stadt eine aktive Neonazi-Szene, die sich mittlerweile wie auch in Dortmund in der Partei "Die Rechte" organisiert, seit Jahren häufen sich gewalttätige Überfälle. Zwei Tiefpunkte aus einer langen Liste: 2010 hatten 15-20 Neonazis die Premiere eines Dokumentarfilms über die rechte Szene in Wuppertal angegriffen und die Besucher unter anderem mit Pfefferspray attackiert. 2011 griffen Neonazis linke Besucher eines Flohmarktes an. Dabei prügelten sie unter anderem mit Schlagstöcken und Fahnenstangen auf die Köpfe ihrer Opfer ein.
Für die Betreiber des Autonomen Zentrums ist aber nicht nur die rechte Gewalt in Wuppertal ein Skandal. Sie werfen besonders Polizei und Staatsanwaltschaft vor, die rechte Gewalt immer wieder zu verharmlosen. Die Polizei wollte sich zu den Vorwürfen auch auf Anfrage nicht äußern.
Vice.com berichtete auch mit diesem Video von der HoGeSa-Demonstration in Köln 2014:
Das nächste Ziel der Hooligans wird übrigens Erfurt sein. Am 2.Mai kündigt die HoGeSa-Abspaltung "Gemeinsam stark Deutschland e.V." eine Demonstration in der Thüringer Landeshauptstadt an. Dagegen mobilisiert das Bündnis "Platzverweis". Weitere Infos bei Noway. Und via Twitter up to date bleiben: @platzverweisEF Hashtag #nowayEF