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HoGeSa in Hannover kleiner als erwartet – Gegenwind aus den Fußballfanszenen nimmt zu

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Vergangenen Samstag fand in Hannover die zweite bundesweit bekannte Demonstration der "Hooligans gegen Salafisten" statt. Mit 3000 Teilnehmenden fiel diese kleiner als erwartet aus und konnte von den 5000 eingesetzten Polizist*innen in Schach gehalten werden. Mehr als 5000 Menschen demonstrierten an diesem Tag in Hannover gegen HoGeSa. Gegenwind kommt dabei auch aus den Fußballfanszenen, wie von den Ultras Hannover oder dem Bündnis Aktiver Fußballfans BAFF.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Im Medienecho am Sonntag klingt Erleichterung mit – darüber, dass sich die Teilnehmerzahl von HoGeSa um etwa ein Drittel verringert hat und darüber, dass es zu keinen weiteren Ausschreitungen wie in Köln kam. Nach dem gescheiterten Verbotsversuch der Hooligan-Demonstration war diese auf eine stationäre Kundgebung und auf einen "der hässlichsten Plätze Hannovers" beschränkt wurden. Als Erfolgszeichen werteten Beobachter*innen auch, dass die Hooligans ihre Kundgebung vorzeitig beendeten.

Polizeitaktik ist aufgegangen

Die Polizei ließ schon im Vorfeld verlauten, dass sie keinen weiteren Verbotsantrag stellen und die Veranstaltung im Griff haben würde. 5000 Polizeibeamt*innen hielten die Lage in der niedersächsischen Hauptstadt unter Kontrolle. "Diese Strategie ist voll aufgegangen", sagt auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Er hebt insbesondere das Alkoholverbot als wirksam hervor. Um auf die Kundgebung zu gelangen, mussten sich alle Anreisenden vor Ort durchsuchen lassen, so dass keine Feuerwerkskörper oder Alkoholika mitgenommen werden konnten.

Mehr auf Gegendemos als bei HoGeSa Kundgebung

Angemeldet waren zudem 18 Gegenkundgebungen, nur sechs davon fanden am Samstag wirklich statt. Die größte begann schon zwei Stunden vor der HoGeSa Veranstaltung, aufgerufen hatte ein antifaschistisches Bündnis unter dem Motto "Gemeinsam gegen Rassismus und religiösen Fundamentalismus". An dieser Veranstaltung nahmen über 4.000 Menschen teil und demonstrierten schließlich gemeinsam vom Steintor südwestlich des Bahnhofes aus durch die Innenstadt und bis in Hör- und Sichtweite der HoGeSa-Versammlung. Verschiedentlich versuchten HoGeSa Anhänger, von denen schon im Vorfeld einige mit Mundschutz und Quarzhandschuhen bewaffnet und auf der Suche nach  Konfrontation waren, zu der antifaschistischen Demonstration zu gelangen. Ordner von HoGeSa drängten die Streitsuchenden erfolgreich zurück. Die Veranstaltungsleitung bat wiederholt darum, friedlich zu bleiben und sich die Energie lieber für die Heimreise aufzusparen. Diese wurde letztendlich aber von der Polizei begleitet, anders als in Köln.

Gegenwind auch von Hannover´96 Fans und dem BAFF

Der Aufruf der Antifa Hannover zur Demonstration am Steintor wurde unterdessen auch vom Bündnis Aktive Fußballfans BAFF unterstützt. Die Ultras Hannover verbreiteten auf ihrer Website einen Aufruf unter dem Motto "Unser Stadion bleibt nazifrei!", um zu einer Mahnwache am Niedersachsenstadion zu mobilisieren. Die ursprünglich geplante HoGeSa Demonstration sollte auch an diesem vorbeiführen. Im Aufruf verbreiten sie die klare Botschaft: "Als Fans des Hannoverschen Sportvereins werden wir nicht zusehen, wie Neonazis, Rechtspopulisten, und Rassisten sich in unserer Stadt und vor unserem Stadion breit machen." Schon im Vorfeld hatten die Ultras selbst erklärt, dass sie sich gegen jegliche Politik, die mit Fußballbezug und ohne ihre Zustimmung in "ihrer" Stadt Hannover verbreitet werden würde, wenden. "Alleine die Tatsache, dass Personen mit vermeintlichem Fußballbezug ungefragt eine Demonstration in unserer Stadt anmelden, fassen wir als respektlose Provokation auf."Ähnliches äußerten auch die Fans des Hamburger SV, als eine Anmeldung von HoGeSa für die Hansestadt vorgelegen hatte. Die Anmeldung wurde unter anderem aufgrund der mangelnden Unterstützung der örtlichen Fanszene zurückgezogen.

Hannover´96 Fans protestierten mit gegen die HoGeSa Kundgebung. Quelle: Screenshot Twitter von @BAFF

Dominanzfrage zwischen Ultras und Hooligans stellt sich derzeit neu

An den Gegenkundgebungen beteiligten sich dann neben Personen aus dem Antifa-Spektrum, der Zivilgesellschaft auch Ultras sowie Fans vom HSV und auch antifaschistische Hooligans desselben Vereins. Dass die sich in den vergangenen Wochen einige Ultraszenen, wie auch beim BVB Dortmund, gegen HoGeSa positioniert haben, erklärt sich einerseits mit der weit verbreiteten Ablehnung von Rassismus der Aktivist*innen, aber auch mit der generellen Ablehnung von Politik im Fußball. Auf dem Spiel steht die räumliche Dominanz, die sich die Ultras in den 1990er Jahren in den Fußballstadien gegen die Hooligans erkämpft haben. Auch wenn Teile der Fanszenen, wie bei Alemannia Aachen oder der Eintracht Braunschweig, mit den Zielen und Ideen von HoGeSa sympathisieren mögen, dürfte die Notwendigkeit, sich gegen Hooligans abzugrenzen und eine Deutungshoheit in den Stadien zu bewahren, noch schwerer wiegen, als die ideelle Nähe der rassistischen Ziele. So nahmen laut Augenzeugenberichten auch HSV Hooligans an der HoGeSa Kundgebung in Hannover teil, eine breite Unterstütztung für die Anmeldung in Hamburg gab es nicht.

Ein Moderator der HoGeSa Kundgebung trug Farben der SG Dynamo Dresden. Laut Dresdner Fanszene ist er nicht bekannt, kein Zeichen also für eine breite Ost-West-Kooperation. Quelle: Twitter Screenshot von @Rafanelli.

Nächste Station Ostdeutschland?

Vermutungen, dass sich die HoGeSa-Bewegung nach dem Misserfolg in Hannover nun im Osten neu organisieren könnte, bleiben diffus. Zwar erschien der Moderator der Kundgebung in Hannover in einer Jacke von Dynamo Dresden, auch ließ sich einer der Redner auf der Bühne als Hooligan vom 1. FC Lokomotive Leipzig identifizieren. Andererseits ist der Moderator in der Dynamo Dresden Jacke laut Fanszeneinternen Kreisen in Dresden nicht bekannt und könnte auch einer der vielen "Exil-Dynamos" sein, die bundesweit verstreut leben und dem sächsischen Verein die Treue halten. Besonders eben jene auswärtigen Dynamo-Fans wurden wiederholt als rechtsaffiner und "in den 1990ern" (als Rassismus in den Stadien weitgehend unhinterfragt war) verhaftet eingeschätzt.

Festzuhalten ist, dass auch in Hannover wenige Teilnehmende aus Ostdeutschland vor Ort waren. HoGeSa bleibt eine westdeutsche Bewegung, die von Parteien wie "Die Rechte" oder "Die Freiheit" unterstützt wird, welche im Osten der Republik keine Verankerung haben. Auch der Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte Michael Gabriel äußerte kürzlich im Weser Kurier, dass die Projektion der Probleme mit Rechtsradikalismus auf die Neuen Bundesländern zu kurz greife. Gerade Dortmund hat sich als eines der größten Zentren der rechtsextremen Szene bundesweit etabliert. Und HoGeSa bleibt derzeit mit dem Rhein-/Main-Gebiet verwachsen.

Im Osten: eigene Bewegung und zahlreiche rassistische Demonstrationen

Unterstützung für HoGeSa ist aus den Neuen Bundesländern nur einzeln bekannt. Vielleicht auch, weil sich derzeit eigene Bewegungen etablieren, wie die Montagsdemonstrationen der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA) in Dresden. Ein großer Teil der wöchentlich anwachsenden Demonstrationen setzt sich nach Berichten aus dem Dresdner Fußballumfeld zusammen, viele Demonstrierende tragen die Farben der SG Dynamo Dresden. Via Facebook ruft aber auch einder Gründer des ehrenamtlichen Fanprojekts vom Dresdner Sportclub DSC zur Teilnahme an PEGIDA Demonstrationen auf. Gerade die Fanszene des DSC ist zuletzt positiv durch Engagement gegen Rassismus und auch Homophobie aufgefallen, was den Aufruf von eben jenem Mitarbeiter umso ambivalenter erscheinen lässt.

Wie weiter mit HoGeSa?

Dass HoGeSa durch den geringeren Zuspruch in Hannover und die stärkere staatliche Reglementierung der Veranstaltungen abflachen wird, ist zu vermuten. Auch stiegen laut Spiegel Online einige der führenden Köpfe nach der Eskalation in Köln aus, diese befürchten eine Radikalisierung der Bewegung. Der Platz von HoGeSa scheint zumindest in Dresden schon besetzt zu sein. In Berlin erfuhr eine HoGeSa-ähnliche Anmeldung im Endeffekt kaum Zuspruch. Bei den derzeit grassierenden rassistischen Demonstrationen und Kundgebungen aus der Mitte der Gesellschaft heraus, bedarf es aber auch keiner bundesweit agierenden "Hooligans gegen Salafisten", da sich auf lokaler Ebene rassistische Bürger-Mobs selbst organisieren.

HoGeSa als Problem des Deutschen Fußballs?

Im Fußball schätzt Gabriel im Weser-Kurier dahingegen ein, es bestehe zwar die Gefahr, dass die Hooligans ihre rassistischen Positionen vermehrt ins Stadion zurück tragen. Gleichzeitig hätten sich noch nie so viele Fans gegen Rassismus und Diskriminierung positioniert, wie aktuell. Das zeigt sich nicht zuletzt in den vielfältigen Reaktionen aus den Fanszenen gegen HoGeSa. Und auch durch die Reaktionen der Vereine und Verbände.

 

Mehr im Netz:

- "HoGeSa hat nichts mit der Fankultur zu tun, für die wir stehen" Stellungnahme von ProFans auf Fanzeit.de

- "Nach Hooligan-Demo: Polizei ist zufrieden" auf NDR Online

- "HoGeSa in Hannover - Hass hinter Sperrgittern" auf Spiegel Online

- "Das war der Anfang vom Ende von HoGeSa" ein Kommentar auf NDR Online

 

Als Letztes: ein Video aus Hannover vom antifaschistischen Gegenprotest, es blieb also nicht ganz "friedlich" 

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Dresdner Sonderweg: PEGIDA mobilisiert Alt-Hooligans, Neonazis und Wutbürger*innen zur friedlichen Hass-Demonstration

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Seit fünf Wochen demonstrieren in Dresden jeden Montag mehr Menschen unter dem Motto "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA). 3200 Menschen folgten zuletzt dem über Facebook lancierten Aufruf. Mit dabei waren wieder viele Personen aus dem Dresdner Fußballumfeld, traten dabei aber weniger geschlossen auf, als in den letzten Wochen. Trotzdem ist PEGIDA, anders als die westdeutsche Blaupause HoGeSa, nicht an Fußballszenen gebunden, sondern erinnert stärker an eine rassistische Querfront. Unterdessen demonstrierten insgesamt 700 Menschen gegen diese neue Montagsdemonstration.

Von Redaktion Fussball-gegen-nazis.de

An diesem kalten Novemberabend strömen Menschen in großen und kleinen Gruppen auf den Platz vor einem zentralen Einkaufszentrum, um sich zur fünften Montagsdemonstration unter dem Motto "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" zu sammeln. Einige bringen ihre eigenen Deutschland-Fahnen mit, andere kommen mit Bierflaschen in den Händen, die sie zum Start der Demonstration hastig austrinken und abstellen werden. Das Bild der Teilnehmenden ist divers, viele junge Männer in sportlicher Kleidung, einige junge Frauen im ähnlichen Stil, stadtbekannte Neonazis, ältere Frauen und Männer und immer wieder auch Fans der SG Dynamo Dresden, dem beliebtesten Fußballverein der Region. Sie alle eint die Angst vor Salafismus und Glaubenskrieg auf deutschem Boden, in einer Stadt, in der die kleine islamische Gemeinde deutlich ökumenisch ausgerichtet ist und sich seit der muslimenfeindlich motivierten Ermordung von Marwa El-Sherbini im Dresdner Landgericht verstärkt gegen Rassismus und für ein tolerantes Miteinander einsetzt. Von salafistischen Predigern - in Dresden keine Spur.

Bei den Gegenprotesten wurden deutliche Worte gefunden. Quelle: Redaktion FgN 

Wirre Forderungen der "Patriotischen Europäer"

Die PEGIDA Demonstration beginnt unterdessen mit einer Rede von René Jahn, der gemeinsam mit Lutz Bachmann die Demonstrationen organisiert. Bachmann ist derzeit im Urlaub, deshalb übernimmt Jahn, seines Zeichens Besitzer des Hammam "Zum kleinen Muck". In seiner Rede wendet er sich an die Versammelten, fordert Meinungsfreiheit, verhöhnt die Kritik der regierenden Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) an PEGIDA, prangert "Asylmissbrauch" an und stellt unter anderem klar: "Wir sind gegen Salafisten, Salafismus ist keine Rasse, also sind wir keine Rassisten!" Rekurriert wird auch auf Mustafa Kemal Atatürk, der die Türkei zu einem säkularen Staat formte, aber dabei auch Religionsausübung in der Öffentlichkeit brutal unterdrückte. Am Ende der Rede stehen acht Forderungen, die populistischer kaum sein können: "Wiedereinreisekontrollen" (für wen?), Abschiebung von Mitgliedern radikalreligiöser Gruppierungen (Pierre Vogel? Den Piusbrüdern?) Bewahrung der christlich-jüdischen Identität des Abendlandes (a.k.a. Westeuropa), mehr Polizei und überraschenderweise die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Begonnen hatte PEGIDA mit der Kritik an eben jener Aufnahme, mit der sie die Angst vor Glaubenskriegen auf deutschem Boden verbinden. Heute fordert Redner Jahn Weltoffenheit und ein tolerantes Europa, in dem Islamisierung keinen Platz hat. Eine genaue Definition dieser Islamisierung wird nicht geliefert, dafür können sich unter dem großen Schirm PEGIDA eben alle finden, egal wie stark sie den Islam oder Muslime/a ablehnen.

Meinungsfreiheit! – Nicht für die Demonstrationsteilnehmer*innen

Die Rede endet mit der Aufforderung, einen friedlichen und schweigenden "Spaziergang" zu unternehmen und auf keinen Fall mit der Presse zu reden. Das Recht auf Meinungsfreiheit wird hier zwar groß geschrieben, aber die Demonstrationsteilnehmenden bekommen einen Maulkorb. Auf dem Platz in Dresden haben sich so einige rechtsgerichtete Hooligans versammelt und auch diverse Neonazis zeigen sich in den Reihen. Wohl auch, weil die Anmelder ihre Pappenheimer kennen und ahnen, welche neonazistischen oder rassistischen Parolen gerufen werden könnten, was das saubere Image des gesetzten Mottos "Dresden zeigt wie´s geht" beschädigen würde. Außerdem wäre es möglicherweise ein Anlass für die sächsische Polizei, die Demonstration stärker zu kontrollieren, ähnlich wie bei HoGeSa in Hannover. Auf der PEGIDA-Facebook Seite können die Unterstützer*innen ihre Meinungsfreiheit nutzen und posten stündlich rassistische, sozialdarwinistische und anders menschenverachtende Kommentare.

Die Meinungsäußerung der Demonstration von PEGIDA erfolgt auf einigen gedruckten Transparenten, die sich vornehmlich in der erste Reihe der Demonstratin befinden und von den Organisator*innen mitgebracht wurden. In der ersten Reihe aber auch: ein Fan der SG Dynamo. Quelle: Redaktion FgN

Breite Unterstützung aus dem Fußballumfeld von Dynamo Dresden...

Karl*, ein Beobachter aus der Dynamo-Fanszene meint, für ihn sei es besonders erschreckend, wie viele bekannte Gesichter aus dem Stadion hier seien. Er und andere identifizieren Mitglieder der Fangruppe "Dresden Ost". Auch hört man, dass Demo-Organisator Bachmann Kontakte in die Dresdner Hooligan-Szene unterhalte. Während der Demonstration sind immer wieder Westen mit dem altdeutschen Aufdruck "Deutschland – Dynamo", Mützen aus dem Dynamo-Fanshop mit Aufschrift "Elbflorenz" oder schwarz-gelbe Fußballschals, häufig gepaart mit Kleidung von den bei Neonazis beliebten Marken Thor Steinar oder Erik & Sons zu sehen. "Im Vergleich zu den vergangenen Montagsdemonstrationen treten die Dynamo-Fans aber weniger offen auf." so Karl weiter. Vielleicht gab es da auch eine Ansage aus der aktiven Szene, dass PEGIDA nichts mit Dynamo zu tun hat und haben soll, vermuten Beobachter*innen.

Nicht jeder Dynamo-Fan wollte beim Protestmarsch offen Gesicht zeigen, die weinrot-weiße Mütze identifziert aber eindeutig seinen Fußballclub. Quelle: Redaktion FgN

... oder auch dem Dresdner Sportclub DSC

Über sein Facebook Profil ruft auch Lars K., ein Anhänger vom Dresdner Sportclub DSC, zu den PEGIDA Demonstrationen auf. Er hat das ehrenamtliche DSC Fußballfanprojekt mit begründet und 2007 mit diesem den Julius-Hirsch-Preis vom DFB erhalten – für antirassistisches Engagement. Aus der Fanszene ist er laut Angaben von Karl raus, es gab einen Bruch mit der linken/antirassistischen Fanszene des DSC und den Rechtsorientierten wie K. Er verkörpert die verquere Logik vieler PEGIDA Demonstrant*innen: bekennt sich offen zu seiner dominikanischen Ehefrau, organisierte den antirassistischen Jorge Gomondai Fußballcup mit, aber hetzt wie andere auf Facebook rassistisch gegen Muslime und eine vermeintliche Islamisierung Europas, bezieht sich positiv auf die rechtspopulistische Partei AfD oder teilt Beiträge wie von der rechtsextremen Zeitung "Junge Freiheit". Dabei zitieren er und andere immer wieder Artikel aus renommierten Medien wie der Welt, dem Focus, von ZDF "Frontal 21", aber auch der dem identitären Spektrum zuzurechnenden Blauen Narzisse oder der rechtsextremen PI-News, die "beweisen", dass Europa und Deutschland von radikalen Muslimen gefährdet werden und Flüchtlinge wie eine Flut nach Deutschland schwemmen, um "Asylmissbrauch" zu betreiben.

Aber: keine Dresdner Version von HoGeSa

Obwohl zahlreiche Personen aus dem Fußballumfeld PEGIDA unterstützen, hat die Demonstration keinen Fußballbezug, anders als HoGeSa. Vielmehr reiht sich die erfolgreiche Mobilisierung in die Vielzahl rassistischer Kundgebungen und Veranstaltungen gegen die Eröffnung oder Erweiterung von Flüchtlingsunterkünften ein und knüpft an die aktuell zunehmenden und medial verstärkten Ängste vor "Überfremdung" an. Diese neue Form von Rassismus schlägt sich als Muslimenfeindlichkeit nieder, Islam und Islamismus werden zu Synonymen, die rassistische Grundstimmungen in der Bevölkerung bündeln und kanalisieren. Die PEGIDA-Forderungen sind teilweise aus dem Landtagswahlprogramm der AfD übernommen. Das Mantra der Demonstrierenden lautet "Wir" gegen "die Anderen", wobei sich unter diesem "Wir" weiße Deutsche sammeln, die in einem atheistisch geprägten Bundesland auf die "christlich-jüdische" Kultur rekurrieren. Genau in diesem Duktus rufen die PEGIDA-Anhänger*innen auf der Abschlusskundgebung vor dem Dresdner Schauspielhaus dann mehrmals "Wir sind das Volk!" und verabschieden sich bis zur nächsten Montagsdemonstration.

 

Die Gegendemonstration von Dresden Nazifrei. Quelle: Redaktion FgN

Bis zu 800 Menschen bei den Gegenprotesten

Währenddessen haben sich an diesem Abend bis zu 800 Menschen bei unterschiedlichen Gegendemonstrationen getroffen. An der Frauenkirche versammelten sich um den Superintendent der Evangelischen Kirchgemeinde Dresden-Mitte Christian Behr 200 Menschen um friedlich ein Zeichen für Religionsfreiheit und eine offene Stadt zu setzen. Das Bündnis Dresden Nazifrei rief zu einer Demonstration unter dem Motto "Rassismus demaskieren" auf, an der bis zu 600 Menschen teilnahmen. Aus dem Protestzug heraus konnte die Auftaktkundgebung von PEGIDA akustisch gestört werden und später wurde der Theaterplatz besetzt und so die Route der Montagsdemonstration verkürzt. Auf der Demo herrscht Unverständnis über das nahezu exponentielle Wachstum der rassistischen Demonstrationen, ein Teilnehmer erklärt aber auch gefrustet, dass diese erfolgreiche Mobilisierung der Rechtspopulisten eben nur in Dresden möglich wäre – die Stadt sei ein "vorpolitischer Raum" und 25 Jahre nach der Wende sei hier immer noch keine demokratische Kultur entstanden. Schon am 14. November veröffentlichte der Stadtrat eine Erklärung, in der es heißt "25 Jahre nach den Ereignissen im Herbst ´89 wird von einigen versucht, den Ruf ´Wir sind das Volk!´ auf unseren Straßen umzudeuten." und weiter "Der Ruf ´Wir sind das Volk!´ steht für Freiheit, Demokratie und Menschenwürde. Es ist deshalb selbstverständlich, dass wir vor dem Hintergrund dieses Vermächtnisses solidarisch sind ... mit denen, die bei uns Schutz suchen".

Ausblick

Wie das Antifa Recherche Team Dresden zeigt, reiht sich PEGIDA als größte Veranstaltung in zahlreiche rassistische Proteste in Dresden und Umland ein. Für die nächste Demonstration ist trotzdem wieder eine Steigerung der Teilnehmerzahlen zu erwarten, die Facebook-Mobilisierung läuft blendend und kürzlich wurde verkündet, dass sich PEGIDA Ableger in anderen Städten wie Kassel gründen. Die Aufgabe einer demokratischen Zivilgesellschaft muss es nun sein, deutlicher gegen den zunehmenden Rassismus einzutreten und menschenfeindlichen Ressentiments ihre Grundlage zu entziehen, nicht nur, aber auch, montags um die Abendzeit in Dresden.

Mehr dazu im Netz: 

- Auf Netz-gegen-Nazis.de: 

So verschleiert propagiert "Pegida" antimuslimischen Rassismus

Warum schafft "HoGeSa" den Sprung vom Netz auf die Straße?

- Dresdner Neueste Nachrichten: 3700 Menschen bei Islamgegner-Initiative Pegida - Gegendemonstranten blockieren Theaterplatz

- taz.de Politische Einstellungen in Deutschland: Wenige Rechte werden rechter

 

* Name geändert, realer Name ist der Redaktion bekannt.

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Fangewalt und Rassismus: Erneute Anklage der UEFA gegen den kroatischen Fußballverband

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Im Qualifikationsspiel für die UEFA Fußball-Europameisterschaft zwischen Italien und Kroatien kam es zuletzt zu Ausschreitungen und rassistischen Fangesängen. Die UEFA will nun erneut Strafen verhängen. Dass diese wie in der Vergangenheit wirkungslos bleiben werden, verrät ein Blick in die junge Geschichte des kroatischen Fußballs und seine rechtsnationalistisch geprägten Fanszenen.

Von der Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Nach dem vergangenen Länderspiel zwischen Italien und Kroatien (1:1) in der Qualifikation für die EM 2016 kam es zu Ausschreitungen und schließlich zu einer Spielunterbrechung. Kroatische Fans hatten Pyrotechnik auf das Spielfeld geworfen, um gegen den kroatischen Fußballverband zu protestieren. Nach Berichten über die Korruption im nationalen Verband Hrvatska Nogomenta Liga (HNL), wie zuletzt im Transparent Magazin und im Blickfang Ultrá, scheint der Protest berechtigt zu sein – ohne dabei das Leben und die Gesundheit der (eigenen) Spieler zu gefährden. Auch auf Faszination Fankurve erklärte der ehemalige kroatische Stürmer Goran Vlaovic: "Wenn dies gegen den kroatischen Fußballverband gerichtet war, ist es nicht der beste Weg, um Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen, weil am Ende des Tages der Fußball und die Nationalmannschaft leidet."

Ermittelt wird von der UEFA nun gegen Italien, dessen Fans auch Feuerwerkskörper zündeten. Und gegen Kroatien, aufgrund des gleichen Vergehens; noch dazu werden den kroatischen Fans Ausschreitungen nach dem Spiel und rassistisches Verhalten vorgeworfen. Die Polizei nahm 17 kroatische Anhänger vorübergehend fest.

Aggressionen gingen von rechtsgerichteten Fangruppen aus

Gezündet wurde die Pyrotechnik hinter den Fahnen der Ultrá-Gruppe Bad Blue Boys (BBB) von Dinamo Zagreb und bei Torcida, den Ultras von Hajduk Split. Große Teil der BBB sind kroatisch-nationalistisch eingestellt und Überschneidungen mit rechtsextremen Skinheads werden immer wieder dokumentiert. Die Gruppe verwendet im Stadion oftmals Symbole der extremen Rechten. Ähnlich ist das bei Torcida. Diese Fangruppe gehört zu den größten des Landes und wird aufgrund ihrer Gründung im Jahr 1950 oft auch als die älteste Fangruppe Europas gehandelt. In der Vergangenheit nutzten Fans aus der Gruppe immer wieder  nationalsozialistische Symbolsprache für ihre Auftritte im Stadion; zum Beispiel schwenkten sie eine Fahne mit dem Reichsadler, der statt dem Hakenkreuz ein Hajduk-Wappen in den Krallen trug.

Der Strafenkatalog für die Fans von Dinamo Zagreb ist lang

Die Fanszene von Dinamo Zagreb, in der die BBB federführend sind, ist in der jüngeren Vergangenheit wiederholt mit rassistischen Ausfällen bekannt und von der UEFA bestraft worden. 2013 hatten die Fans in den beiden Champions-League-Qualifikationsspielen bei Austria Wien und gegen Sheriff Tiraspol rassistische Gesänge angestimmt, die UEFA verurteilte den Verein zu zwei Geisterspielen und 70.250 Euro Strafe. Im Vorfeld hatten Dinamo-Fans beim Heimspiel gegen den Club CS Fola Esch aus Luxemburg rassistisch gesungen, die UEFA verhängte einen Teilausschluss des Publikums für das Spiel gegen Sheriff Tiraspol. Nach langjährigem Streit mit den Vereinsoffiziellen und einer Spaltung der Gruppe in Folge von Bestechungen und Versprechen durch Zsdravko Mamic, den Präsidenten von Dinamo Zagreb, verlagern sich die Ultrás von BBB aktuell zu Futsal Spielen. Seit dem Sommer diesen Jahres unterstützen sie MNK Futsal Dinamo, während die Zuschauerzahlen bei den Fußballspielen im Zagreber Maksimir Stadion stetig abnehmen.

Italienische Ultrá-Bewegung hat die kroatischen Fans tief geprägt

Im aktuellen Transparent Magazin wird von Ligaspielen in Kroatien und weiteren Fangruppen berichtet, wie der Gruppe Armada vom Verein HNK Rijeka. Ein Ultrá der Armada erzählt, warum rechte Symbole wie das Keltenkreuz für Choreografien genutzt werden und dass diese im kroatischen Fußball keine Neonazi-Bedeutung, wie in anderen Ländern hätte. Das Symbol sei aus der italienischen Ultrá-Bewegung übernommen worden, von der die kroatischen Fans stark geprägt worden sind. Dabei steht dieses Zeichen religiösen Ursprungs auch in Italien seit den 1970er Jahren unzweifelhaft für die militante neofaschistische Bewegung; in anderen Kontexten für einen Bezug zum White Power Movement. Ebenso sind in Italien Rassismus und Rechtsextremismus in der Ultrá–Szene, die sich ursprünglich als Gegenbewegung zu den rechten Fußballhooligans entwickelte hatte, wieder an der Tagesordnung. Ein prominentes Beispiel ist Lazio Rom mit seinen rechtsextremen Ultras und seinem ehemaligen Stürmer und Mussolini-Fan Paolo Di Canio. 

Fußball kann in Kroatien auch anders. International bekannt, wenn auch im Balkanstaat marginal vertreten, sind die White Angels vom Fußballverein NK Zagreb, der in der 1. Kroatischen Liga spielt. Seit 2006 beschäftigen sich die Mitglieder der Gruppe kritisch mit Männlichkeitsnormen, Fußballgewalt und darüber hinaus mit verschiedenen Diskriminierungsformen. Bis heute haben sie ihr politisches Engagement ausgebaut, beteiligten sich schon an der Kampagne "Fußballfans gegen Homophobie" oder unterstützen Immigrant*innen und Asylsuchende in Zagreb. Sie sind die einzige kroatische Ultrá-Gruppe, die sich offen antifaschistisch und antirassistisch positioniert. In einem Interviewäußerten sich Mitglieder von den White Angels (WAZ) und berichten, dass sie in Kroatien zwar keine Fanfreundschaften unterhalten, da alle anderen Fangruppen rechtsnationalistisch seien. Dafür pflegen sie gute Kontakte mit der lokalen Antifa in Zagreb sowie internationale Kontakte mit Fangruppen in Spanien oder Deutschland. Die BBB scheinen WAZ in Zagreb frei agieren zu lassen, da die Gruppe einfach zu klein und damit kein "angemessener Gegner" sei.

Begann der Unabhängigkeitskrieg in Jugoslawien im Maksimir Fußballstadion?

Wie sich in der jüngeren Vergangenheit zeigt, ist Fußball ein politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor in Kroatien. Viele in Kroatien sind der Meinung, dass das Derby zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad im Mai 1990 den Ausschlag für den Unabhängigkeitskrieg im ehemaligen Jugoslawien gegeben hat. Dieses Spiel wurde aufgrund von Ausschreitungen zwischen kroatischen und serbischen Fans, in die später auch die Spieler mit einstiegen, nicht einmal angepfiffen. Die Eskalation war damals von rechts gerichteten BBB-Mitgliedern ausgegangen, von denen sich viele freiwillig für den Krieg meldeten. Und die sich 1994 selbst ein Denkmal am Maksimir-Stadion in Zagreb gesetzt haben, um an den Mai 1990 und die Gefallenen zu erinnern.

Korruptionsvorwürfe gegen den Vereinspräsidenten Mamic von Dinamo Zagreb zeigen, welche wirtschaftliche Macht Fußballvereine auch in Kroatien ausüben. So schließt der Präsident des mit öffentlichen Mitteln finanzierten Vereins unter anderem "Vorverträge" mit vielversprechenden Nachwuchsspielern ab, die ihm im Falle eines Verkaufs eines Spielers Anteile an seinem zukünftigen Einkommen sichern. Diese können bis zu 20 Prozent betragen. Prominentes Beispiel ist der ehemalige kroatische Nationalspieler Eduardo Alves da Silva. Die Nachwuchsspieler werden dem Druck ausgesetzt, die Verträge anzunehmen, weil der Sportdirektor von Dinamo Zagreb gleichzeitig der Bruder des Vereinspräsidenten ist. Diese Praktiken prangern nicht zuletzt die Bad Blue Boys an.

Fußball in Kroatien bleibt politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor

Bis heute ist Fußball in Kroatien nationalistisch geprägt und politisch aufgeladen. Wie sich in den Auseinandersetzung zwischen Fanszene und Vereinsoffiziellen zeigt, bleibt der Sport auch stark von Korruption und wirtschaftlichen Machtfragen geprägt, die nicht zuletzt ein Anlass für den jüngsten Pyrotechnikwurf in Italien waren. Der europäische Fußballverband UEFA wird am 11. Dezember darüber verhandeln und neue Strafen verhängen. Dass dieses Urteil das aufgeheizte Klima in dem jungen Staat Kroatien und die vielschichtigen Problemlagen in den Fußballfanszenen nicht beruhigen wird, steht außer Frage. Auch vergangene Strafen der UEFA haben keine Lösung gebracht. Vielmehr wird es Zeit, dass die Fanszenen sich ähnlich den White Angels inhaltlich mit Fragen von Nationalismus und Rassismus auseinandersetzen. Und dass auf Verbands- wie Vereinsebene Regelungen greifen, die Korruption sowie Machtmissbrauch einen Riegel vorschieben und den Fans ein reales Mitspracherecht in Vereinsfragen ermöglichen. Bis dahin scheint es aber noch ein langer Weg zu sein. 

 

Mehr auf Fussball-gegen-nazis.de:

In der Tradition der Ustascha – Rechtsextremismus im kroatischen Fußball

Und im Netz:

Welt Online: Das unsägliche Strafregister der kroatischen Fans

Ballesterer: Krieg der Tribünen

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Mehrere Verletzte: Rechte Hooligans randalierten in Magdeburg und bei Fußballspiel

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Vergangenes Wochenende kam es in der Kreisliga im Jerichower Land zu einem Spielabbruch, der mutmaßlich von einem Spieler des 1. FC Ostelbien Dornburg provoziert wurde und in einer großen Schlägerei ausartete. Im Nachgang randalierten rechtsextreme Fußballhooligans in einer Magdeburger Diskothek, zeigten Hitler-Grüße und griffen nach ihrem Rauswurf auf dem Weg zum Bahnhof mehrere Iraker an. Die Polizei ermittelt im Umfeld der rechten Hooligangruppe "Blue White Street Elite" und dem 1. FC Ostelbien Dornburg, der für seine rechtsextremen Mitglieder bekannt ist.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Nachdem der Diskjockey einer Magdeburger Diskothek die Durchsage macht "Die Factory ist bunt, statt braun!", war am vergangenen Samstag eine etwa 20köpfige Gruppe auf die Tanzfläche geströmt, hatte Hitlergrüße gezeigt und auf Gäste eingeschlagen. Die Polizei gab bekannt, dass die Personen mutmaßlich der rechtsextremen Hooligangruppe "Blue White Street Elite" aus dem Umfeld des 1. FC Magdeburg angehören. Auch, als die Gruppe der Diskothek verwiesen worden war und Platzverweise von der Polizei erhalten hatte, randalierte sie weiter. 16 Personen bestiegen einen Bus Richtung Stadtmitte, während der Fahrt kam es zu Provokationen und Beleidigungen gegen vier Fahrgäste irakischer Nationalität. Als die aggressive Gruppe den Bus verlassen hatte, kam es zu weiteren körperlichen Auseinandersetzungen, die durch die Polizei unterbunden werden konnten. Strafverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruch und Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen wurden eingeleitet. Der Staatsschutz untersucht nun die Beteiligung von Mitgliedern der "Blue White Street Elite" und prüft ein erneutes Verbotsverfahren gegen die Gruppe. Bei der Polizei geht man davon aus, dass die gleiche Gruppe auch für den Abbruch eines Fußballspiels der Kreisliga im 20km entfernten Gommern verantwortlich ist. Hier war es während eines Spiels des 1. FC Ostelbien Dornburg zu einer Schlägerei gekommen, bei der mehrere Personen verletzt wurden.

Da es sich um drei verschiedene Tatorte handelt, werden sich die Ermittlungen laut Polizeisprecher Marc Becher noch hinziehen. Die Hinweise auf einen Zusammenhang verdichten sich derzeit. Im Kern der Geschehnisse sind die immer wieder in die Schlagzeilen geratene Hooligangruppe "Blue White Street Elite" (BWSE), der aus dem Umfeld der Gruppe hervorgegangene Fußballverein 1. FC Ostelbien Dornburg und eine Führungspersönlichkeit, Dennis Wesemann.

"Blue White Street Elite"– Erstes Verbot durch Innenministerium scheiterte 2010

Gefunden hat sich die BWSE unter den Fans des 1. FC Magdeburg. Hervorgegangen ist die Hooligangruppe aus verschiedenen Neonazi-Kameradschaften des Jerichower Landes und war im Zuge des ersten Verbotsverfahrens vom damaligen Innenstaatssekretär Rüdiger Erben als Mischung von "fanatischen Fußballfans und gewaltbereiten Rechten" bezeichnet worden. Besonders in den Jahren 2008 und 2009 traten sie mit gewalttätigen Aktionen in Erscheinung, bewarfen einen Zug mit Fans von Dynamo Dresden mit Steinen oder griffen einen linksalternativen Jugendlichen an. Im Jahr 2013 sollen sie nach einer Demonstration einen jugendlichen Antifa-Aktivisten entführt und misshandelt haben. Obwohl das Verbot der Gruppe 2010 vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt aufgehoben worden war, besteht die Gruppe nach Informationen von David Begrich vom Mageburger Demokratieverein "Miteinander" nur noch als informeller Zusammenhang. "Sie treten jetzt weniger offen auf, als eine Art Hooligan-Kameradschaft. Für ein erneutes Verbot braucht es eine neue Faktenlage. Das letzte Verbotsverfahren war daran gescheitert, dass der Gruppe keine gemeinschaftlichen Straftaten nachzuweisen waren", so Begrich weiter. Ähnlich äußerte sich am Montag Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht. Er will die Ermittlungen abwarten.

Mittendrin: Dennis Wesemann

Als Einzeltäter der Ereignisse am Wochenende konnte die Polizei schon Dennis Wesemann identifizieren. Er ist einer der Führungsköpfe bei BWSE, außerdem Vorstandsmitglied und Mittelfeldspieler beim 1. FC Ostelbien Dornburg. Er hatte 2008 gegen das Verbot der BWSE geklagt. Der einschlägig bekannte Neonazi ist außerdem Ortsbeirat in Stresow, dem einzigen Ort in dem die NPD 2011 die Landtagswahlen gewonnen hatte. Jeder Vierte hatte damals die rechtsextreme Partei gewählt. Wesemann selbst wollte Ortsbürgermeister werden, zog seine Kandidatur aber auf breiten öffentlichen Druck hin zurück. Über den umtriebigen Neonazi-Aktivisten wurde in den letzten Jahren schon viel berichtet. Nach den Erkenntnissen zu seiner Beteiligung am Wochenende werden Forderungen lauter, dass er von seinem kommunalpolitischen Amt zurücktreten soll.

1. FC Ostelbien Dornburg – Paradebeispiel für Rechtsextreme im Fußball

Der FCOD wurde von Neonazis und Hooligans gegründet. Trainer, Spieler und Vorstand, die meisten haben hier rechte Weltanschauungen, auch einige polizeibekannte Hooligans gehören dem Verein an. Der Landessportbund Sachsen-Anhalt hatte zwar nach der Gründung die Anerkennung als Sportverein verweigert, war damit aber vor Gericht gescheitert. "Die Ablehnung solcher Vereine ist rechtlich nicht einfach. Für eine Ablehnung muss nachgewiesen werden, dass die Mehrheit des Vorstandes aus dem rechtsextremen Umfeld stammt. Dies zu belegen ist in der Praxis äußert schwierig", erklärte Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen im August vergangenen Jahres dieser Plattform. Sie berät Sportverbände und Vereine zum Umgang mit Rechtsextremismus.

Auch in Sachsen-Anhalt stellt sich die Situation schwierig dar. Sportgerichtsbarkeit und Verbandsfunktionäre unterstreichen immer wieder die Trennung von Vereinssport und Lebenswelt sowie politischer Einstellung und Betätigung der Vereinsmitglieder. Solange der FCOD nicht als politisch rechtsextremer Akteur auftritt, kann er in der Kreisliga problemlos weiter spielen. "Was abseits vom Spielfeld passiert und dass der Verein eine Heimstatt für mehr oder weniger organisierten Neonazis ist, scheint für den Fußballverband und die Kreisliga irrelevant", kritisiert David Begrich. Dieser beobachtet die Entwicklungen um den FCOD schon lange und stellte immer wieder fest, dass die Doktrin vom unpolitischen Fußball, der man in Sachsen-Anhalt folgt, in den Verbänden fest verankert ist und so den Umgang mit dem rechten Verein erschwert.

Fußballverband Sachsen-Anhalt sollte aktiv werden

Es ist richtig, dass der Verein rechtlich gesehen ein Bestandsrecht hat, solange er sich an die sportrechtlichen Regeln hält. Aber Fußballverbände haben sowohl die Handhabe, als auch den Auftrag vom DFB sich gegen Gewalt und Rassismus im Fußballbetrieb einzusetzen. Der Bundesverband des Deutschen Fußballs empfahl seinen Mitgliedern dazu schon vor Jahren ein 10-Punkte-Programm, achtet aber besonders im weniger prestigeträchtigen Amateursportbereichen selten auf dessen Umsetzung. Trotzdem sind den Landesverbänden nicht die Hände gebunden. Der Hessische Fußballverband hat zum Beispiel die Nutzung des Zahlencodes "88" verboten (Wesemann trägt Trikotnummer "18"), der Berliner Fußballverband führt regelmäßige Veranstaltungen zu Vielfalt, Toleranz und auch gegen Rechtsextremismus im Fußball durch. In Sachsen-Anhalt besteht hier Nachholbedarf.

Landessportbund Sachsen-Anhalt hat "MuT"

Weil Sportvereine nicht per se demokratische Räume sind, hat der Deutsche Olympische Sportbund sich der Förderung von Demokratie, Vielfalt und dem Kampf gegen Rechtsextremismus im Sport verschrieben. Im Landessportbund Sachsen-Anhalt als Dachverband des organisierten Sports des Landes bemüht man sich mit dem Projekt "MuT – Menschenfeindlichkeit und Toleranz im Sport" um eine Sensibilisierung für die Themen Diskriminierung und Rechtsextremismus. Zwölf ehrenamtliche Demokratietrainer*innen, die selbst aus dem Sportsystem kommen, sollen Vereine kompetent und auf Augenhöhe bei Problemen beraten. Ob sie beim FCOD eingeladen werden, bleibt jedoch zu bezweifeln. Zum "MuT"-Projekt gehört aber auch die Entwicklung eines spezifischen Konzepts für den Fußballverband Sachsen-Anhalt, das u.a. auf die Sensibilisierung der Schiedsrichter*innen für Diskriminierungssituationen und die Einsetzung von FairPlay-Beauftragten in jedem Landkreis zielt. Bei einigen Vereinen zeigt sich das "MuT" Programm schon erfolgreich, berichtet Begrich. Aber man müsse einen langen Atem haben, um im sachsen-anhaltinischen Fußball grundlegende Änderungen zu erreichen.

 

Mehr im Netz:

Rechtsextremismus im Deutschen Amateurfußball - was tun? (Fussball-gegen-nazis.de)

Bürgermeisterwahl Stresow: Rechter Hooligan spaltet ein Dorf (Volksstimme Magdeburg)

Rechtsradikaler Fußballverein FC Ostelbien Dornburg (Podcast, Deutschlandfunk)

"Magdeburg wartet auf dich" Diesen Januar ist noch kein Nazi-Trauermarsch in Magdeburg in Sicht. (taz)

Distanzierung des 1. FC Magdeburg von der Gruppe "Blue White Street Elite" (Vereinshomepage)

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Legida in Leipzig - In den Straßen hallt der Hass

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"Legida" ist der brutalere Ableger von "Pegida": Offener rechtsextrem im Positionspapier, entsprechend ist auch das Publikum deutlich mehr durch die rechtsextreme und gewaltaffine Szene geprägt. Hooligans von Lok Leipzig mobilisierten mit einem gemeinsamen Treffpunkt zu Demonstration. Doch Leipzig wusste sich auch zu wehren, 35.000 Menschen vereinten sich zu vielfältigem und lautstarken Gegenprotest. Der Konflikt wird aber bleiben. Eine Reportage aus dem dunklen und dem bunten Leipzig.

Von Simone Rafael und Laura Piotrowski

Es ist nicht leicht, in Leipzig zur "Legida"-Demonstration zu kommen, dem lokalen Ableger der "Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes". Und das liegt an den vielen Gegendemonstrant_innen, die schon frühzeitig die Straßen säumen, sich in möglichst großer Nähe der geplanten - und verkürzten - "Legida"-Strecke sammeln und klar machen: Diese Stadt will keine "Legida", keine Islamfeindlichkeit, keinen Rassismus, keine Nazis. Nur der Polizist, den wir fragen, wünscht "Viel Erfolg" bei der Suche nach "Legida". Hoffentlich ist er nur höflich.

Leipzig hat "Legida"

Das Dumme ist nur: Leipzig hat "Legida". Diese Menschen sammeln sich auf einem Platz an der Red Bull Arena, verteilen sich auf den Steinstufen, bilden in der Menschenmenge kleine Rudel von Deutschlandfahnen. Auf den ersten Blick ist auffällig: Hier sind wenige Frauen - weder alte noch junge - fast keine Kinder, das ist anders als bei "Pegida" in Dresden. Es gibt auch bei "Legida" völlig unauffällig aussehende ältere Herren neben bulligen, durchtrainierten Männern in Funktionsjacken mit "Frei.Wild"-Buttons. Aber viel mehr als in Leipzig gibt es hier auch solche Teilnehmer in Szenekleidung, Thor Steinar, Lonsdale wird hier noch von rechts getragen, bulliges Schuhwerk, einschlägige Accessoires. Offenbar sind auch einige Fußballhooligans gekommen. Lok Leipzig Fans vereinbarten einen gemeinsamen Treffpunkt, von dem aus sich 300 Menschen zur Demonstration bewegten. Das schlägt auf die Stimmung. Die ist auf dem Platz von Anfang an hitzig und aggressiv. Es gibt Fahnen mit Trauerflor, aber auch "No Chemtrails", "NSU-Schwindel aufdecken" und "Wir sind keine Ami-Knechte"-Plakate. Besonders perfide: Ein Bettlaken mit der Aufschrift: "Pegida = Charlie".

Positionspapier stellt "Legida" weit nach rechts

Der Leipziger Ableger von Pegida bemüht sich weniger als sein Vorbild um ein bürgerliche-Mitte-Image. Das Papier ist durch eine völkische Blut- und Boden-Rhetorik geprägt und mit Begriffen gespickt, die auch von Rechtsextremen gern verwendet werden. Man will mit dem "Kriegsschuldkult und der Generationenhaftung" aufräumen. Und die BRD ist laut dem Papier "nicht der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches"– das kennen wir von den Verschwörungstheorien der "Reichsbürger".

Im Bereich Kulturbewahrung soll "insbesondere der islamischen Religion" die freie Ausübung untersagt werden. Im weiteren warnt das Papier vor dem Verlust der "deutschen Kultur", die durch eine multikulturelle Gesellschaft bedroht werde. Es ist ein homogener Kulturbegriff, der sich auf ein nationalistisches Verständnis stützt und auf eine christliche Tradition. Diese solle sich auch endlich in der bundesdeutschen Gesetzgebung wiederspiegeln. Richtig deutsch kann man dabei nur sein, wenn man dazu geboren wurde und zwar nicht als Kind von Immigrant_innen. Unter diesen völkisch-nationalistischen und kulturrevisionistischen Forderungen fällt kaum noch auf, dass auch eine Revision der Geschlechtergleichberechtigung gefordert wird. Und Eltern von Kindern mit Behinderung, deren Schulform nicht mehr frei wählen dürften. (Dazu mehr im Störungsmelder)

Anmelder Jörg Hoyer handelt mit deutschen Antiquitäten aus der Zeit von 1914-1945

Mutmaßlicher Autor des Positionspapiers ist Jörg Hoyer, der die Demonstration in Leipzig schließlich angemeldet hat, nachdem der bisherige Anmelder zurückgetreten war. Hoyer kommt aus dem Dresdner Umland und betreibt ein "Sachverständigenbüro für Militärhistorik und Zeitgeschichte" in Heidenau. Laut Medieninformationen soll Hoyer dabei auch mit NS-Devotionalien gehandelt haben, auch wenn diese Hakenkreuze oder Symbole der Waffen-SS trugen. Der Leipziger Volkszeitung gegenüber begründete er den Wechsel der Anmelder damit, dass in Leipzig die Anfeindungen gegenüber den namentlich bekannten "Legida"-Organisatoren besonders harsch seien: "Ich habe die Anmeldung übernommen, weil mein Grundstück in Heidenau weit weg und gut gesichert ist. Schließlich bewahre ich dort auch wertvolle Waffen auf."

"Das ist keine Veranstaltung gegen Asyl"

Auf der Bühne - denn in Leipig ist "Legida" vorbereitet, es gibt Programm - läuft die Mimikry, die Verschleierung dessen, was die Teilnehmer_innen hier wirklich wollen. Hier werden Schilder mit "Pegida macht glücklich" hochgehalten. Auf der Bühne steht Tatjana Festerling, AfD-Politikerin aus Hamburg, gegen die aktuell ein Parteiausschlussverfahren läuft, weil sie die Hogesa-Demos lobte. Sie sieht aus wie eine Sekretärin in einem beigefarbenen Steppmäntelchen und weiß ihr Publikum zu fesseln. Erst kommen die Mimikry-Sätze: "Wir sagen auch allen Muslimen, die gegen Islamisten sind: Schließt Euch an! Wir brauchen Euch!" Dann beschreibt sie, wie sie ihren Job verlor, wegen der vielen "bösen" Presseberichte. Das ist Musik in den Ohren der "Legida"-Teilnehmer_innen: "Lü-gen-presse!" Endlich. "Das ist keine Veranstaltung gegen Asyl. Das ist eine Veranstaltung gegen Asylmissbrauch!" Grölen, pfeifen, klatschen. Auch "Wir sind das Volk" ist als Ruf wieder beliebt. Tatjana beschreibt, wie schön es ist, "mit Hunderten Gleichgesinnten hier zu stehen für die deutsche Kultur, Tradition." Auf einer Empore rollen "No Legida"-Demonstrant_innen währenddessen Tranparente mit der Aufschrift "Refugees Welcome" aus. Die Gleichgesinnten brüllen wie am Spieß, als wollten sie diese Menschen sofort zerlegen. Von der Bühne aber wird gebeten: Keine Gewalt. Und ein Schweigemarsch soll es werden.

Schweigemarsch? Nein danke

Daraus wird nichts. Dabei hätten die "Legida"-Teilnehmenden so schön schweigen können: Nach dem die Demonstration kurz durch Blockaden am Loslaufen gehindert wurde, konnten sie sich frei durch das Waldstraßenviertel bewegen. Die Polizei spricht später von realistischen 4.800 "Legida"-Demonstrierenden. Während der Demonstration ist es kontinuierlich laut – weil die wütenden "Legida"-Mitläufer_innen sich mit lautem Rufen den Gegenprotesten erwehren wollen.

Gegenproteste sind lautstark und einfach immer dabei

35.000 Menschen gingen am Montag Abend gegen "Legida" auf die Straße. Das ist die höchste Zahl von Gegendemonstrant_innen an einem Wochentag und ein deutlicher Erfolg in Leipzig. Mit mehreren Demonstrationen verschiedener gesellschaftlicher Spektren nahmen sie ihren Weg in das Waldstraßenviertel, dem Aufmarschort der rassistischen "Legida"-Demonstration. "Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Viele Menschen haben heute aktiv gezeigt, dass Rassismus und Islamfeindlichkeit in Leipzig keinen Platz haben. ´Legida´ wartete nur mit zirka einem Zehntel auf." so Juliane Nagel für das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz". Es gelang es den Leipziger_innen, die "Legida"-Veranstaltung komplett durch lautstarken und sichtbaren Protest zu begleiten. Schon am Ort der Auftaktkundgebung stand eine große Gruppe Menschen und störte die rassistischen Hetzreden durch laute Rufe. Während dem gesamten Demonstrationszug der "Legida" waren die Straßen durch den Protest der Bürger_innen geprägt: aus zahlreichen Wohnungen überschallte die Europa-Hymne "Wir sind das Volk"-Rufe und nahezu jeder Seitenstraßen warteten bereits Gegendemonstrant_innen mit Botschaften wie "Hass hat keine Zukunft", "Haut ab!" oder "Refugees Welcome". Besonders die Gegenproteste von den Balkonen aus wurden von "Legida"-Anhängern wiederholt mit dem Ruf "Springt! Springt!" bedacht – dass sie den Tod ihrer politischen Gegner_innen in Kauf nimmt ist nur ein Zeichen mehr dafür, dass sich hier keine "gewaltfreie" Bewegung aufbaut.

"Wir kommen wieder"

Am letzten Gegendemonstrations-Punkt vor der Abschlusskundgebung brüllen die "Legida"s: "Wir kommen wieder! Wir kommen wieder!" Die Straßen sind engt, es hallt hier sehr laut, wenn so viele bullige Männer brüllen. Es ist furchterregend.

"Legida" hat für die nächsten vier Wochen weitere Proteste angekündigt. Juliane Nagel vom Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" erklärte dazu: "Wir dürfen nicht dulden, dass rassistische Stimmungsmache auf den Leipziger Straßen zum selbstverständlichen Ritual wird." Man werde über weitere Gegenproteste für die kommenden Wochen beraten.

"Legida" im Alltag

Wir stehen am Rand. Plötzlich kommt eine ältere Dame auf uns zu, mit Filzblume am Hut, schwarze Wildlederjacke. Sie sagt: "Ich will jetzt gehen. Ich wollte mir das hier mal angucken, aber jetzt habe ich Angst, dass gleich etwas passiert." Das verstehen wir. Allerdings meint sie nicht die brüllenden Männer, die gerade in Fußball-Hool-Manier mit ausgebreiteten Armen auf die Gegendemonstrant_innen einbrüllen. "Nein, hier bei uns ist alles friedlich, ganz friedlich! Die Gegendemonstranten, ich habe Angst, das die mich verprügeln!" Möchte sie sich wirklich mit diesen Männern gemein machen, den grölenden, brutalen Islamfeinden? Sie redet sich in Rage: "Die Linken, die zünden ständig was an! Und die Türken in der Eisenbahnstraße, die beschimpfen mich als Nazi! Deshalb bin ich hier. Bei uns sind nette Jungs, ganz friedlich!" Zur Abschlusskundgebung möchte sie aber nicht mehr, sie verschwindet in einer Seitenstraße.

Mehr im Netz:

"Legida" - Der Hass von Leipzig (Zeit Online)

Legida-Organisatoren aus rechter Fußballszene - Breite Gegenproteste geplant (Fussball-gegen-Nazis.de

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Rechte Gruppe "Hooligans Elbflorenz" als kriminelle Vereinigung verboten

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Gestern entschied der Bundesgerichtshof, dass gewaltbereite Hooligangruppen als kriminelle Vereinigung eingestuft werden können. Sie wies damit die Berufung von fünf Männern aus Dresden zurück, die aufgrund ihrer Betätigung in der als kriminelle Vereinigung verbotenen Gruppe "Hooligans Elbflorenz" vom Landgericht Dresden verurteilt worden waren. Diese Gruppe wurde auch für Überfälle auf türkische Geschäfte in Dresden im Sommer 2008 verantwortlich gemacht – die Beteiligung der einzelnen Angeklagten sah der BGH aber nicht im gleichen Maße als erwiesen an, wie im vorinstanzlichen Urteil. Update 01.02.2015: seit dem Urteil lösten sich erste Hooligangruppen, wie die rechte Gruppe "Standarte Bremen", auf. Bremens Innensenator will die Gruppe trotzdem überprüfen lassen, weil die möglichen Strafen noch nicht verjährt seien. 

Von Lina Morgenstern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern ein Urteil bestätigt, laut dem die Gruppe "Hooligans Elbflorenz" von Dynamo Dresden als kriminelle Vereinigung nach Paragraf 129 verboten wurde. Der BGH bestätigte damit weitgehend die Urteile gegen fünf Angeklagte, die das Landgericht Dresden wegen Mitgliedschaft der kriminellen Vereinigung, teilweise in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch und mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheits- bzw. Geldstrafen verurteilt hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Rädelsführer bzw. Mitglieder der in Dresden ansässigen Gruppierung von Hooligans, die im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Fußballspielen des Vereins Dynamo Dresden, aber auch unabhängig davon an anderen Orten, Kämpfe gegen andere Hooligans ausfochten, zu denen sich die Gruppierungen zumeist vorher verabredet hatten. Diese sogenannten Drittortauseinandersetzungen beurteilt das BGH als sittenwidrige und somit strafbare Verabredung zur Massenschlägerei. Das Gericht schaffte damit einen Präzedenzfall, nachdem gewaltbereite Hooligan-Gruppen als kriminelle Vereinigung eingestuft und ihre Mitglieder damit härter als bislang bestraft werden können.

Rassistischer Überfall auf türkische Geschäfte in Dresden 2008

Zur Last gelegt wurde den Angeklagten auch ein Überfall auf türkische Geschäfte nach einem Europameisterschaftsspiel 2008 zwischen Deutschland und der Türkei. Der Überfall auf die türkischen Gastronomiebetriebe kann nach Ansicht des BGH den einzelnen Mitgliedern von "Hooligans Elbflorenz" nicht zugerechnet werden. Die Ermittlungen 2008 waren von Pannen geprägt, wie dass Überwachungskameras in der Dresdner Neustadt, die zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden, zum Tatzeitpunkt ausgeschaltet waren. Trotzdem wurden damals zwei Tatverdächtige festgenommen, unter ihnen Willy K., ein vorbestrafter Gewalttäter mit guten Verbindungen zur rechtsextremen Szene. Im Juli 2008 erklärte Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius dazu: "Wir haben einen vertraulichen Hinweis aus der Hooligan-Szene erhalten. Fest steht, das war keine spontane Zusammenrottung. Ziel der Täter war es, durch eine ausländerfeindliche Tat Unruhe zu stiften. Sie wollten die Dresdner und die Ausländer einschüchtern. Wer so etwas macht, muss rechtsradikal sein."

Das Verfahren wurde nun vom BGH gegen zwei Angeklagte eingestellt; hinsichtlich eines weiteren Angeklagten wurde der Schuldspruch vom Landgericht Dresden auf Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung geändert. Für diese drei Angeklagten muss wegen des verbleibenden geringeren Schuldumfangs die Strafe neu zugemessen werden. Alle Angeklagten wurden aber aufgrund der Vorkommnisse, die der kriminellen Vereinigung "Hooligans Elbflorenz" zugeordnet werden können, wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt.

"Hooligans Elbflorenz"– kriminelle Vereinigung ohne feste Gruppenstruktur?

Seit 2011 verhandelte das Landgericht Dresden gegen die Gruppe "Hooligans Elbflorenz". In 92 Verhandlungstagen wies die Dresdner Staatsanwaltschaft nach, dass "zwischen Ende 2007 und Ende 2009 eine straff organisierte Gruppierung um den Hauptangeklagten L. bestand, die darauf ausgerichtet war, eine Vormachtstellung in der gewaltbereiten Hooliganszene im Großraum Dresden zu erlangen". Die Gruppe soll darüber hinaus Kontakte zu rechtsradikalen Personen gepflegt haben. Dass es je eine feste Gruppe gab, bestritten die Angeklagten bis zuletzt. Zwar gaben mehrere Personen die zu den "Hooligans Elbflorenz" gehören sollen, dem Journalisten Veit Pätzug ein Interview für ein Buch über Dynamo Dresden Fans. In dem Interview berichten sie über ihre Hooliganaktivitäten und den Prozess. Aber sie betonten darin, dass "das große Gespenst ´Hooligans Elbflorenz´ im Grunde nur auf einer Fahne" basiert habe, jedoch nie eine feste Gruppe gewesen sei. Andererseits sprechen sie immer wieder von "der Gruppe", mit der sie auch regelmäßige Hooliganaktivitäten betrieben haben. Mittels Abhöraktionen, Hausdurchsuchungen und verdeckter Ermittlung konnten die Strafverfolgungsbehörden eine Vereinigung "Hooligans Elbflorenz" beweisen – nur die erwähnte Fahne wurde bis jetzt nicht gefunden. Während der Ermittlungen wurden jedoch einzelne Pannen der Dresdner Ermittlungsbehörden öffentlich. So ist bekannt, dass Gespräche der Angeklagten mit ihrem Rechtsanwalt abgehört wurden, was rechtswidrig ist.

Michael Nattke vom Kulturbüro Dresden, der den Prozess über lange Zeit verfolgt hat, begrüßt prinzipiell die Strafverfolgung gegen die Hooligans. Stellt aber trotzdem klar: "Mit der Verfolgung nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch werden den Ermittlern unzählige Maßnahmen und Mittel zur Überwachung der Betroffenen in die Hand gegeben. Eine Verfolgung von Menschen nach diesem Paragraphen sollte außergewöhnlichen Hürden unterliegen, um die Freiheitsrechte und die Privatsphäre von Menschen zu schützen. Der Gesetzgeber ist gefordert an dieser Stelle entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und die Hürden zur Anwendung des Gesetzes deutlich anzuheben." Eine Ausweitung der Definition einer kriminellen Vereinigung auf Hooligan-Zusammenhänge sieht er sehr kritisch, da die Verabredung zu den Schlägereien auf freiwilliger Basis sei. "Natürlich sollte eine angezeigte Körperverletzung oder ein tatsächlicher Landesfriedensbruch juristisch verfolgt werden, aber eben auf Grundlage der Straftat und nicht durch die Konstruktion einer angeblichen kriminellen Vereinigung."

"Free Willy" Transparente im Dynamo-Fanblock

2009 hatte Willy K. gestanden, zu den Überfällen auf die türkischen Geschäfte aufgerufen zu haben. 2013 wurde er aufgrund anderer Gewalttaten vom Amtsgericht Dresden zu drei Jahren Haft verurteilt, während der Hooligan-Prozess am Landgericht gegen ihn noch lief. Unter anderem hatte er einen Fußballfan des eigenen Vereins Dynamo Dresden bei einem Auswärtsspiel in Riesa zusammengeschlagen und dabei schwer verletzt. Willy K. ist ein stadtbekanntes Gesicht der Dresdner Naziszene. Seit er seine Haftstrafe verbüßte, hing im Dresdner Fanblock bei Heim- und Auswärtsspielen trotzdem immer eine "Free Willy" Fahne über dem Zaun. K. ist bekennender Dynamo-Fan und Hooligan, er hat in der Szene viele Freund*innen, die ihn unterstützten. Aus Kreisen des Fanprojekts Dresden war zu hören, dass dieses Transparent keine politische Positionierung der Ultras darstellen solle – nach Außen wird natürlich ein anderes Bild erzeugt. Im Interview mit Veit Pätzug sagte auch eines der mutmaßlichen "Hooligans Elbflorenz" Mitglieder, dass zwar nicht alle in der Gruppe, aber u.a. er ein "sozialer Nationalist" sei. In der Gruppe spiele politische Ideologie aber keine Rolle.

Auch im Prozess vor dem BGH spielte die politische Ausrichtung der Hooligangruppe nur eine untergeordnete Rolle. Im Deutschlandfunk schätzte Pätzug die Hooligans selbst ein: "National rechts. Das sagen die auch von sich, da tritt man denen auch nicht ins Kreuz, wenn man das so sagt." Martin Döring vom sächsischen Verfassungsschutz bestätigt diese Aussage in dem Radiofeature: "Hooligans als grundsätzlich gewaltgeneigte Fußballfans sind kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehören. Aber es ist in der Tat so, dass ein nicht unerheblicher Teil der Hooligans auch extremistisch positioniert ist und auch zum Teil Bestandteil von rechtsextremistischen Bestrebungen ist. Und dort, wo wir das erkennen, können wir natürlich auch rechtsextremistisch motivierte Hooligans beobachten."

Ähnliches zeigt sich seit vergangenem Jahr auch bei den Geschehnissen um die "Hooligans gegen Salafisten" sowie in der Unterstützung der Dresdner Hooligans für die rechtspopulistische Pegida-Bewegung. Hooligangruppierungen nun als kriminielle Vereinigungen einstufen zu können, erleichtert der Polizei eine Verfolgung der gewaltorientierten Fans. Die Dresdner Staatsanwaltschaft wird nun höchstwahrscheinlich Anklagen gegen weitere mutmaßliche Hooligans aus dem Umfeld von Dynamo Dresden erheben, um sie der kriminellen Vereinigung zuzuordnen. Ob sich das aktuelle Rassismusproblem auf den Straßen in Dresden und darüber hinaus so lösen lässt, bleibt zu bezweifeln. Ähnliches gilt für das Gewaltproblem bei Fußballspielen.  

 

Mehr auf Fussball-gegen-nazis.de

Mehr im Internet

  • "Kriminelle Vereinigungen"– Hooligans radikalisieren sich (Der Westen)

  • Ein Kommentar von Christoph Ruf: Erlaubt ist, was den Richtigen trifft (neues deutschland)

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Hamburg: Neonazis aus dem Stadion geworfen, Staatsanwaltschaft ermittelt

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In Hamburg stehen zwei Fans vom Amateurfußballverein Altona 93 vor Gericht, weil sie versucht haben sollen, Neonazis mit Gewalt aus dem Stadion zu werfen. Die Geschädigten sind eng vernetzt mit der örtlichen Neonazi-Szene zwischen NPD und "Weissen Wölfen". Zum ersten Prozesstag erschienen sie aber nicht.

Von Jan Tölva

Die Mühlen der deutschen Justiz mahlen doch recht langsam. Das zeigte sich erneut in Hamburg, wo in der vergangenen Woche zwei Fans des Oberligisten Altona 93 vor dem Bergedorfer Amtsgericht erscheinen mussten. Den beiden wurde der Prozess gemacht, weil sie vor zweieinhalb Jahren bei einem Spiel ihres Vereins beim Stadtteilclub Bergedorf 85 zwei andere Zuschauer tätlich angegriffen haben sollen. Es geht um Körperverletzung; den Angeklagten drohen im Falle einer Verurteilung mehrere Jahre Haft.

Das ist jedoch nur eine Seite der Geschichte und nicht einmal die interessanteste. Für eine x-beliebige Anklage aufgrund von körperlicher Gewalt jedenfalls wären wohl kaum etwa 40 Zuschauer_innen und schon gar nicht die rund ein Dutzend Pressevertreter_innen im Gerichtssaal erschienen. Tatsächlich ging es um weit mehr als die angeblich geworfenen "Äste, Steine und Papierkörbe", von denen der NDR in seinem Bericht über den Prozess spricht. Für diejenigen, die im Zuschauerraum des Gerichtssaals saßen, ging es vor allem um Zivilcourage. Es ging um gelebten Antifaschismus und um die Frage, ob es hinzunehmen sei, dass zwei stadtbekannte Neonazis bei einem Amateurfußballspiel dabei sind, bei dem auf beiden Seiten Fans mit deutlicher Schlagseite nach links stehen.

Verbindungen zu den "Weissen Wölfen" und zur NPD

Die mutmaßlich Geschädigten in dem Prozess, Heiko H. und Sven W., sind keine Unbekannten. Sven W. soll Presseberichten zufolge der eindeutig neonazistischen Gruppierung "Weisse Wölfe Terrorcrew" angehören, die von Verfassungsschutz als "aggressiv" eingestuft und dem Spektrum der "Autonomen Nationalisten" zugeordnet wird. Aus Antifa-Kreisen wurde bekannt, dass er unter anderem für diese NS-Hardcore-Band an der Mobilisierung der extrem rechten Demonstration "Tag der deutschen Zukunft" am 2. Juni 2012 in Hamburg-Wandsbek beteiligt gewesen sein soll. Die Demonstration, die jedes Jahr in einer anderen Stadt stattfindet, ist bereits seit längerem fester und wichtiger Bestandteil des extrem rechten Terminkalenders. Auch die Hamburger NPD mobilisierte damals zu der Veranstaltung und war mit Transparenten vor Ort. Die nächste Auflage soll es m 6. Juni diesen Jahres in Neuruppin/Brandenburg geben.

Heiko H. hingegen trat mehrfach bei Wahlen als Kandidat für die NPD an, war bis 2013 sogar im Vorstand des NPD-Kreisverbandes Lauenburg-Storman in Schleswig-Holstein. 2009 wurde er – übrigens ebenfalls vor dem Bergedorfer Amtsgericht – wegen gefährlicher Körperverletzung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Sein Strafverteidiger war damals kein Geringerer als der kurz darauf verstorbene damalige Landesvorsitzende der Hamburger NPD Jürgen Rieger, den der Verfassungsschutz seinerzeit als "Protagonisten des Neonazi-Lagers" bezeichnete und der selbst mehrfach – meist wegen Körperverletzung – verurteilt worden ist.

Heiko H. soll antifaschistischen Gruppen zufolge darüber hinaus fest in die Strukturen der Rechtsrockszene eingebunden sein und war zusammen mit Sven W. 2012 auf einem Gedenkfestival für den 1993 tödlich verunglückten Skrewdriver-Sänger und "Blood and Honour"-Begründer Ian Stuart.

In brauner Gesellschaft

Es scheint offenkundig, dass sich beiden "Wieauchimmer-Nazis" (so nennt sie der NDR) keine unbeschriebenen Blätter oder bloße Mitläufer sind. Sie bewegen sich vielmehr trittsicher in der Grauzone zwischen der parteipolitisch organisierten extremen Rechten und der offen neonazistischen, gewaltbereiten Kameradschaftsszene. Verwunderlich ist das nicht. In und um Hamburg sind NPD und "Freie Kräfte" bereits seit Jahren besonders eng miteinander verzahnt. Das gilt insbesondere seit der bereits erwähnte Jürgen Rieger 2007 Landesvorsitzender wurde. Rieger hatte die Partei lange als zu gemäßigt erachtet und das öffentlich wiederholt betont. Sein Parteibeitritt 2006 wurde daher von vielen als ein weiteres Zeichen für die Radikalisierung der NPD verstanden.

An der radikalisierten Ausrichtung des Hamburger Landesverbandes hat sich bis heute wenig geändert. Auch bei der kommenden Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar tritt mit dem Bergedorfer Marius Edahl zumindest ein Kandidat an, der laut Taz"aus den Freien Kameradschaften kommt und kein NPD-Mitglied ist".

Der aktuelle Landesvorsitzende Thomas Wulff bezeichnet sich sogar ganz offen als "Nationalsozialist". "Steiner", wie er in der Szene auch genannt wird, ist bereits Anfang der 1980er in der Hamburger Neonaziszene aktiv, war persönlich bekannt mit Michael Kühnen, wurde Mitglied verschiedener extrem rechter Parteien und gründete 1994 mit dem "Aktionsbüro Norddeutschland" eines der ersten Sammelbecken für "Freie Kräfte". 1996 wurde er zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er die Shoah geleugnet und den damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Ignatz Bubis verleumdet hatte. Später war er zeitweilig im Bundesvorstand der NPD, heute gilt er als eines der Aushängeschilder des radikaleren, weniger auf eine bürgerliche Fassade bedachten Flügels der Partei.

Geschädigte glänzen im Prozess durch Abwesenheit

Auch Heiko H. und Sven W. wirken nicht gutbürgerlich, und was genau sie dazu bewogen hat, an jenem Sonntag im Stadion "Sander Tannen" aufzutauchen liegt bislang im Dunkeln. Durch eine besondere Affinität zum Fußball sind sie bis dato nicht aufgefallen. Der Verdacht liegt nahe, dass ihr Interesse eher dem Geschehen auf den Rängen, denn jenem auf dem Rasen galt. Immerhin ist weithin bekannt, dass die Fans von Altona 93 zu einem großen Teil aus Punks, Linken und Autonomen bestehen. Ebenso ist es kein Geheimnis, dass Teile der traditionell aktiven Antifaszene im Hamburger Stadtteil Bergedorf häufig bei Spielen des örtlichen Oberligisten anzutreffen sind.

Dass ihr Stand vor Gericht kein leichter sein dürfte, haben Heiko H. und Sven W. vermutlich selbst geahnt. Zu dem Prozess jedenfalls sind sie gar nicht erst erschienen. Möglicherweise stehen sie nicht mehr hinter ihrer Anzeige. Immerhin hatte die Lokalpresse schon in den Tagen zuvor ausführlich über die Sachlage und auch die persönlichen Verstrickungen mit der gewaltbereiten Neonaziszene berichtet. Vielleicht passte es aber auch einfach nicht in ihr Selbstbild als starke Verteidiger von "Vaterland" und "weißer Vorherrschaft", dass sie damals aus dem Stadion geflohen sind, weil sie anscheinend mit Mülleimern beworfen wurde.

Eine gute Strategie ist ihr Fernbleiben nicht. Denn die beiden sind nicht nur Geschädigte in dem Prozess, sie waren auch als Zeugen geladen. Für ihr Nichterscheinen erließ das Gericht pro Person 150 Euro Strafe. Beim nächsten Termin am 4. Februar um 11.45 Uhr sollen sie nun notfalls von der Polizei vorgeführt werden. Ob ihre Aussagen dann zur Bewertung der Sachlage beitragen können, bleibt offen. Von den geladenen Zeug_innen – darunter mehrere Ordner_innen von Bergedorf 85 – konnte keine_r einen der Angeklagten als Täter identifizieren. Schläge oder Tritte, die die Geschädigten angezeigt haben, konnte keine_r bestätigen.

Auffällig viel Interesse an der Altonaer Szene

Auch der vorsitzende Richter schien wenig Sinn im Verfahren zu sehen. Er versuchte am ersten Prozesstag diesen wegen Geringfügigkeit einzustellen. Die Staatsanwältin wollte jedoch – nachdem sie mit einem Vorgesetzten telefoniert hatte – das Verfahren fortführen. "Das war sicher der Abteilungsleiter der politischen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft, mit dem Sie telefoniert haben", mutmaßte Verteidiger Gerrit Onken, im Hamburger Abendblatt.

"Scheint so, als wenn der Staatsschutz in Hamburg ein Auge auf uns geworfen hat", meint auch ein älterer Fan von Altona 93, der sowohl damals im Stadion als auch jetzt vor Gericht dabei war. Er selbst habe damals nur "ein kurzes Gerangel" gesehen, dann sei es auch schon zu einem "massiven Polizeieinsatz" gekommen. "Natürlich waren mindestens zwei Streifenwagen und auch Zivilfahnder vor Ort", erzählt er, "Das erleben wir bei fast jedem Auswärtsspiel unseres Vereins."

Woher dieses gesteigerte Interesse der Polizei kommt, ist indes unklar. Zwar gelten die Fans von Altona 93 als links, aber nicht als gewalttätig. Wer schon einmal bei einem Spiel an der "Adolf-Jäger-Kampfbahn" war, weiß, dass die Atmosphäre eher familiär ist. Auch setzen sich die Fans des Vereins bereits seit Jahren kontinuierlich für soziale Belange ein. So veranstalten sie etwa jeden Sommer den "Cup der Angst", ein Fußballturnier zugunsten Geflüchteter, und auch bei der Kampagne "Fußballfans gegen Homophobie" war Altona unter den Ersten, die sich beteiligten.

Es geht weiter, weil es weiter gehen muss

Das Verfahren oder die "Beschäfigungstherapie", wie es bei Altona 93 auf Facebook heißt, soll nun fortgesetzt werden, "um zukünftige Täter abzuschrecken", wie die Staatsanwältin es nannte. Gewalt im Stadion sei nicht zu tolerieren, hieß es. Ihre Kolleg_innen in Duisburg, Aachen, Braunschweig und noch unzähligen anderen Orten, an denen extrem rechte Hooligans mehr oder minder ungestört Jagd auf linke, alternative oder einfach nur antirassistische Fans machen können, scheinen das allerdings anders zu sehen.

Bleibt zu hoffen, dass am nächsten Prozesstag auch die Staatsanwaltschaft erkennt, dass sie sich in ihrem für Außenstehende unerklärlich hohem Verfolgungswillen in eine Sackgasse manövriert hat und die Bergedorfer Farce endlich ein Ende findet.

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"Die rechtsextreme ungarische Garde rekrutiert in den Fußballstadien"

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Nachdem Angela Merkel Ungarn einen Besuch abgestattet und die Entwicklung der Demokratie kritisiert hat, werfen auch wir einen Blick auf den kleinen Staat. Premierminister Viktor Orbán ist Fußballfan, seit einigen Jahren investiert der Staat vermehrt in den Ballsport. Dabei haben in den ungarischen Fußballstadien haben Antisemitismus und Antiziganismus einen festen Sitz. Die NGO Szubjektív Értékek Alapítvány (Stiftung für subjektive Werte) aus Budapest ist die einzige Organisation, die im ungarischen Fußball Projekte gegen Diskriminierung durchführt. Wir haben mit einem ihrer Gründer, Bálint Josá, über die Situation in Ungarn, Rechtsextreme im Fußball und mögliche Auswege gesprochen.

 

FgN: Wie schätzten Sie das Problem mit Rechtsextremen im Fußball in Ungarn ein?

BJ: Wir haben während unserer Arbeit mit vielen Fußballfans gesprochen und deshalb gehen wir davon aus, dass es unter den ungarischen Fans circa 10 Prozent Rechtsextremisten gibt. Dabei ist Fußball in Ungarn nicht so populär, wie zum Beispiel in Deutschland. Der ungarische Fußball ist einfach nicht so gut und er ist zu teuer. Trotzdem nimmt er einen hohen Stellenwert ein, auch politisch. Es gibt 16 bekannte Teams in der Ersten Liga. Manchmal gehen in einer Woche weniger als 10.000 Menschen in ganz Ungarn ins Fußballstadion. Populärer als die Clubs ist aber die Nationalmannschaft.

Bei Spielen der Nationalmannschaft kam es immer wieder zu Vorfällen. Das hat jedoch mehr mit ungarischem Nationalismus zu tun, als mit Fußball. Am bekanntesten wurde ein Freundschaftsspiel zwischen Ungarn und Israel im August 2012, dabei hatten ungarische Fans antisemitische Parolen skandiert und als Provokation eine palästinensische Fahne gezeigt. Ungarn wurde von der FIFA zu einem Geisterspiel gegen Rumänien und einer hohen Geldstrafe verurteilt. Besonders gegen Rumänien kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen, das hat mit dem Friedensvertrag von Trianon zu tun, also der Aufteilung des ehemaligen Großungarn, zu dem auch Teile Rumäniens gehört haben. Diese Gebiete fordern die ungarischen Fans bei Spielen dann ein, indem sie die Großungarn-Fahne schwenken, die eigentlich verboten ist.

Und wie stellt sich das Problem in Ungarn selbst dar, man hört schon immer wieder von weit verbreiteten rechten Einstellungen in den ungarischen Stadien?

Nun das Problem hat verschiedene Seiten. Antisemitismus und Antiziganismus sind allgemein ein großes Problem in der ungarischen Gesellschaft und werden auch in den Fußball getragen. Das ist keine rechtsextreme Ideologie, sondern ein generelles gesellschaftliches Problem. Und dann kommt im Fußball noch das Prinzip hinzu, dass man einfach mitschreit, was andere singen. Lieder gegen "Zigeuner" oder "Juden" haben eine Art traurige Tradition. Rassismus gegen Spieler aus afrikanischen Staaten zum Beispiel ist nicht so stark. Da die Ungarn selbst keinen guten Fußball spielen, können sie ihre Stars nicht Bananen bewerfen oder ähnliches.

Kennen Sie die ungarische Garde?

Ja das sagt mir etwas. Hat die Garde etwas mit Fußball zu tun?

Die Ungarische Garde ist besonders gegen Roma in Aktion, sie organisieren immer wieder Aufmärsche. Dabei rekrutieren sie ihre Teilnehmer unter Fußballfans, bei den Ultras. In der ungarischen Ultraszene gibt es besonders viele Rechtsextreme. Und die Jobbik (eine rechtsextreme ungarische Partei, aktuell drittstärkste Kraft im Parlament, Anm. d. R.) nutzt das aus.

Und wie geht man in Ungarn mit diesen Problemen um? Gibt es eine offizielle Reaktion?

Der ungarische Fußballverband fährt jetzt eine Nulltoleranz-Politik. Wenn Fälle von Diskriminierung bekannt werden, gibt es jetzt immer eine Strafe.

Weil der Verband jetzt konsequent durchgreift, kann in den Stadien keine Fahne mehr gezeigt werden, die die Clubs nicht geprüft haben. Wir haben den Verband dabei beraten, was erlaubt sein soll und was nicht. Einigkeit bestand im Verbot des ungarischen Hakenkreuzes, Streit gab es über die Großungarn-Flagge. Die Frage des Trianon-Vertrags ist in der ungarischen Politik und Gesellschaft nicht abschließend verarbeitet worden. 

Was sehen Sie als die größten Probleme im ungarischen Fußball?

Ganz klar, Antisemitismus und Antiziganismus. Das liegt auch in der sozialistischen Vergangenheit Ungarns begründet. In Ungarn lebte man ja etwas freier, als zum Beispiel in der DDR. Ab den 1970ern kamen im Fußball vermehrt antiziganistische und antisemitische Gesänge auf, "Zigeuner"-Lieder oder eben Rufe, "Züge nach Auschwitz zu bauen", waren typisch. Und es wurde gestattet. Da sich das so eingebürgert hat, ist es schwer, die Fans jetzt umzustimmen. Sie sehen das nicht als diskriminierend, sondern als eine Art Sprichwort. Ein typischer Ultrá-Song ist auch "Unser Verband ist schwul"– sie singen das, wenn sie auf den Fußballverband schimpfen wollen. All diese Worte werden zur Beschimpfung genutzt, aber in der ungarischen Gesellschaft wird solche Art von hate speech toleriert.

Welche Projekte gegen diese Art von Menschenverachtung und Diskriminierung im Fußball macht Ihre Organisation "Szubjektiv"?

Wir haben in der Vergangenheit an vielen Runden Tischen mit Experten teilgenommen. Und machen viele kleine Projekte, arbeiten auch oft mit dem europäischen Fußballfannetzwerk FARE zusammen. Dabei machen wir auch ein observer system, also wir senden Beobachter in die Stadien um diskriminierende Vorkommnisse zu dokumentieren. Wir schicken die Protokolle an die Clubs, damit sie die Probleme erkennen. Zwar verteilt die UEFA zum Beispiel auch Strafen, aber ich denke, von Strafen lernt man nichts.

Weiterhin haben wir gerade zwei große Projekte in Planung. In einem Projekt wollen wir uns dafür einsetzen, dass bei jedem Fußballclub eine legitimierte Fanvertretung eingesetzt wird. Die Clubs arbeiten nicht mit den Fans zusammen, die Fans haben auch keinen Einfluss. Da herrschen oft Spannungen. Wir wollen, dass die Vereine die Fans ins Boot holen – zum Beispiel, wenn sie die Regeln des Verbandes zum Thema Diskriminierung befolgen. Wenn die Fans beteiligt wären, würden die Maßnahmen besser angenommen. Aber weil die Fans nicht involviert sind, wirken die Maßnahmen nicht, sondern werden verlacht.

In einem zweiten Projekt wollen wir mit Trainern von Fußballteams im ländlichen Raum arbeiten. Es gibt mehr Fußball auf dem Land als in den Städten und gleichzeitig ist hier die Ablehnung von Roma noch krasser. Die Vereine nehmen keine Roma-Kinder auf, weil es viele Vorurteile gibt. Da findet eine Segregation im Sport statt. Wir wollen mit Trainern ein antirassistisches Know-how erarbeiten, wie man die Clubs überzeugen kann, diese Kinder aufzunehmen.

Gibt es auch Fankurven, die sich selbst gegen Rechts engagieren?

Die Fans nicht selbst nicht wirklich aktiv, es gehen wie gesagt auch nur wenige Menschen ins Fußballstadion. Es gibt einen Club, der Magyar Torna Klub (MTK), das ist ein alter Club mit einer jüdischen Vergangenheit. Von dem gingen immer Initiativen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus aus, es gab auch immer Kontakte zu Ajax Amsterdam. Und die Clubfarben sind weiß-blau, wie die Fahne von Israel. Aber leider hat sich der Club verändert, ein wichtiger Funktionär im Verein ist selbst Fidesz-Mitglied. Von den Initiativen gegen Rechts haben wir nichts mehr gehört. Wir hatten einen anderen Partner, der versucht hat Fußballfans für Diskriminierung zu sensibilisieren. Aber das war auch keine Organisierung, die von den Fans selbst kam.   

Besonders der ungarische Fußball ist in seiner Entstehung stark vom jüdischen Engagement im Sport geprägt worden. Spielt das eine Rolle, wenn es um den weit verbreiteten Antisemitismus in den Fußballstadien geht?

Das stimmt. Die ungarischen Juden waren stark an einer gesellschaftlichen Assimilation interessiert und außerdem stellten sie einen großen Teil des Bürgertums. Sie haben Anfang des 20. Jahrhunderts viele Fußballclubs gegründet. Im Sozialismus wurden alle Clubs verstaatlicht, sie bekamen neue Namen und neue Stadien. Das hat auch die ungarische Fußballgeschichte zerstört. Ich weiß nur von MTK, dass sie sich auf ihre Geschichte berufen und damit in die Öffentlichkeit gehen. Es gab eine große Demonstration gegen Antisemitismus, auch der MTK Club war dort. Aber von anderen Clubs ist mir nichts bekannt.

Was sehen Sie, wenn Sie in die Zukunft des ungarischen Fußballs blicken?

Derzeit werden von der Regierung viele Stadien gebaut, Viktor Orbán ist ein Fußballfan. Es kann sein, dass es eine neue Welle der Fußballbegeisterung gibt, wenn in den neuen Stadien dann auch ein besserer Fußball gespielt wird. Vielleicht ändert sich dann auch das Publikum und es kommen mehr Menschen ins Stadion, die eine andere Fankultur wollen. Ebenso gibt es in den modernen Stadien, die jetzt schon betrieben werden, weniger gewaltvolle Vorkommnisse, weil jede Flasche, die fliegt, genau nachverfolgt werden kann.

Das Interview führte Laura Piotrowski  

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Bei Legida marschiert die Hoolizei – aber nicht diesen Montag

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Diesen Montag wollte Legida den vierten Aufmarsch durchführen, das Ordnungsamt Leipzig hat diesen jetzt verboten, in Sachsen herrscht Polizeilicher Notstand. Bei Legida versammeln sich besonders viele gewaltbereite Fußballhooligans und Neonazis, die Polizei zeigte sich damit überfordert. Bei der letzten Legida-Versammlung griff ein Polizist selbst einen Fotojournalisten an, nachdem seine Kolleg*innen im Vorfeld wiederholt Bedrohung und Angriffe auf Pressevertreter*innen zugelassen hatten. "Leipzig nimmt Platz" kritisiert das Legida-Verbot trotzdem als "obrigkeitsstaatlich" und die falsche Lösung.

Von Lina Morgenstern

Am Montag (09.02.) wollte sich Legida zum vierten Protestzug durch Leipzig treffen. Nachdem beim letzten Mal die Teilnehmerzahl rapide gesunken war, wurde per Facebookumfrage ein neuer Temin bestimmt und sich auf den Montag festgelegt. Ein Befürworter nannte es den "Tag der deutschen Revolution". Die Stadt hat den Aufzug nun verboten, Begründung: es könnten nicht ausreichend Polizeikräfte gestellt werden, weil das sächsische Innenministerium die Zahl der eingesetzten Hundertschaften rapide von 3100 geforderten auf 800-1000 Beamt*innen reduziert hat. Die Legida-Anhänger*innen schäumen nun im Internet: sie wittern Diktatur und die Beschneidung ihrer Meinungsfreiheit, wenden sich an die AfD als Volksversteher. Und drohen subtil: "Wir werden uns spätestens morgen 18:00 Uhr dazu äußern, auf welche Art und Weise wir unsere Freizeit bis zum nächsten angemeldeten Spaziergang verbringen. Wir sind das Volk!" Entschieden wurde jetzt: es wird "private Spaziergänge" geben und HoGeSa sagte dafür Unterstützung zu. Das passt ins Bild der Legida-Märsche, die sich von Beginn an radikaler, als Pegida in Dresden präsentierten und mehr als den Wahlspruch "Wir sind das Volk" parat hatten.

"Hooligans waren die ersten Demonstranten für die Freiheit"

Denn zu diesem Volk gehören nicht zuletzt auch gewaltorientierte Fußballfans. Wie in den letzten Wochen immer offensichtlicher wurde, spielen Fußballhooligans eine fundamentale Rolle in der Pegida-Bewegung. Sie sichern die Veranstaltungen ab, fungieren als Ordner und bedrohen Journalist*innen – die sogenannte Lügenpresse. Auf der dritten Legida-Kundgebung Ende Januar dankte ein Redner, der sich Friedrich Fröbel nannte, den Hools dafür. "Die ersten, die für den Erhalt unserer Freiheit und unserer Demokratie auf die Straße gegangen sind, waren nicht die Gründer von Pegida, sondern das waren die Hooligans", so Fröbel. Damit beruft er sich deutlich auf die HoGeSa-Demonstrationen des vergangenen Jahres. Weiter dankte er den Hooligans, dass sie die Demonstrierenden vor der "Antifa schützen". Und: "Wenn die Politik unsere Polizei weiter so kaputt spart, dann werdet ihr noch einmal gefordert sein, Seite an Seite mit diesen Polizisten Recht und Gesetz zu verteidigen." Die versammelten Menschen jubelten Fröbel dafür zu. Seit Beginn der Legida-Märsche läuft eine hohe Zahl von Fußballhooligans mit. Sie kommen von Lok Leipzig, der für seine rechtsextremen Fans bekannt ist, und vom Halleschen FC. Aber auch Hooligans aus der Region Dresden reisen an. Sie begleiten die Demonstrationen bis jetzt als Vor- und Nachhut, in mehreren Videoberichten von Legida sind Gruppen von Hooligans zu sehen, die teils vermummt sind und Journalist*innen abdrängen – ohne von der Polizei daran gehindert zu werden.

Angriffe auf Journalisten: durch Hooligans und Ordnungshüter

Seit der zweiten Legida-Demonstration sind Angriffe auf Journalist*innen bekannt. Einer der Angegriffenen ist der Fotograf Marcus Fischer. Er erlitt leichte Blessuren, als ihm Hooligans in die Knie traten, dabei ging auch seine Kamera zu Bruch, der Sachschaden beläuft sich auf 1.000 Euro. Die Hooligans jagten ihn als Mitglied der ungeliebten Lügenpresse, der Angriff ist filmisch dokumentiert. "Es hat neben mir aber noch einen anderen Pressevertreter getroffen", berichtet Fischer. In dem Video vom Angriff ist zu sehen, wie teils vermummte Hooligans Journalist*innen angreifen, ihnen folgen, sie verjagen – und keine Polizei in Sicht. Andere Kollegen berichteten Fischer, dass die begleitende Polizei sogar von der Situation weggelaufen sei, als Fischer zu Boden ging. Er selbst habe nichts mitbekommen, nur versucht sich selbst zu schützen. Trotzdem kritisiert er die Polizei klar dafür, dass wiederholt bis zu 500 Personen in der Legida-Demonstration komplett vermummt und passiv bewaffnet mitlaufen – und dafür nicht belangt werden.

Laut den Berichten und Erlebnissen von Journalist*innen bei Legida geht die Polizei besonders repressiv gegen NoLegida-Demonstrierende vor, aber auch gegen Pressevertreter*innen selbst. Bei der vergangenen Legida-Kundgebung löste die Polizei eine Sitzblockade in der Goethestraße unter Einsatz gewaltvoller Mittel auf – dabei schlug ein Beamter der BFE-Einheit einen Fotografen, der sich hinter der Polizeikette befunden hatte und das Geschehen festzuhalten versuchte. Im Anschluss setzten die Beamten ihn zur Personalienkontrolle fest und erließen eine Anzeige gegen ihn. Dokumentieren konnte das Geschehen ein Kamerateam des NDR. Auch Fischer sah den Vorgang und zeigt sich entrüstet. Wie auf den Filmaufnahmen zu sehen ist, konnte der angegriffene Journalist nur geschützt werden, weil sich mehrere Presseleute zwischen den Polizeibeamten und ihn gestellt hatten.

Videoausschnitt aus dem NDR "ZAPP Magazin", "Polizeieinsatz der Woche". (Quelle: Youtube)

Ein NPD-Anwalt und Personen aus dem rechten Hooligan-Milieu

Überschneidungen mit den Legida-Organisatoren und Personen aus dem rechten Leipziger Fußballspektrum sind schon seit der ersten Legida-Demonstration dokumentiert. Marco Prager aus der Fanszene von Lok Leipzig trat zwar aus dem Organisationsteam schon vor dem ersten Legida-Marsch zurück – war dann aber laut MDR Exakt als Ordner dabei, gemeinsam mit anderen Angehörigen der Lok Fanszene. Außerdem soll er noch kurz vor Weihnachten 2014 versucht haben, Aktivisten des HoGeSa-Netzwerks zur Legida-Demonstration einzuladen. Dazu äußern wollte er sich gegenüber dem MDR Kamerateam nicht.

Silvio Rösler ist Legida als Versammlungsleiter erhalten geblieben. Er kommt aus der Fanszene des Amateurvereins SG Leipzig-Leutzsch. Hier soll er auch Kontakte mit Thomas Gerlach haben. Gerlach ist Neonazi und hat sich im Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle NSU bewegt, er musste deshalb auch im Prozess gegen Beate Zschäpe aussagen. "Die Welt" stellte Vermutungen an, dass Gerlach und Rösler enge Freunde sein könnten. Gegenüber der Leipziger Volkszeitung LVZ erklärte Rösler hingegen: "Er ist genau wie ich ein Fan, wir haben zusammen auf der Norddamm gestanden."

Rechtsbeistand des Legida-Teams ist Arndt Hohnstädter. Der Jurist berät Versammlungsleiter Rösler und seine Kanzlei hat laut Angaben der "Welt" im vergangenen November den Patentschutz für die Wortmarke "HoGeSa" (alias Hooligans gegen Salafisten) beantragt. Anhänger dieser Bewegung sollen auch bei Legida mitgelaufen sein. Einen Namen hat sich Hohnstädter darüberhinaus in der Rechtsberatung für die rechtsextreme NPD gemacht. Der ehemalige NPD Chef Holger Apfel dankte ihm dafür öffentlich.

Gewalt gegen Gegendemonstranten und versperrte Zugangswege

Man kann Legida schon einen "Naziaufmarsch" nennen, dessen Stattfinden in sächsischer Manier mehrmals in Folge gewährleistet wurde. Dreimal in Folge konnten gewaltbereite, mit Quarzhandschuhen passiv bewaffnete und vermummte Hooligans durch Leipzig marschieren und Journalist*innen angreifen konnten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Polizei wirkte schlicht überfordert, ihr Vorgehen mit dem sie laut Eigenangaben versucht, die Versammlungsfreiheit für Personen aller politischen Orientierung zu gewährleisten, wirft Zweifel auf. Auch das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" kritisierte das Vorgehen der Polizei am 30. Januar harsch: "Die Polizei hat ohne jedes Maß agiert. Die an dieser Stelle eingesetzten sächsischen Beamt*innen haben gegen die in der Goethestraße friedlich demonstrierenden Menschen vollkommen unverhältnismäßige Mittel eingesetzt. Anstatt zu kommunizieren wurde geschrien, gedroht und Gewalt eingesetzt. Das kann nicht das Mittel sein, um friedlichem Protest zu begegnen." In einer anderen Stellungnahme berichten sie auch, dass eingesetzte Polizeikräfte Leipziger Bürger*innen wiederholt den Weg zu genehmigten Kundgebungen von NoLegida versperrten und keine alternativen Zugänge für die Demonstrationswilligen aufzeigten.

Zweifel gibt es indessen nicht nur an der Polizeitaktik, auch an überhöhten Legida-Teilnehmerzahlen, die die Polizei vermeldete. Am 21. Januar zählten Studierende der Uni Leipzig maximal 5000 Legida-Demonstrierende, während die Polizei von 15.000 Teilnehmenden sprach. Eine ähnliche Kritik gab es an den Teilnehmerzahlen in Dresden.

"Die Lösung kann nicht der Eingriff in Grundrechte sein."

Das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" ruft weiterhin dazu auf, sich gegen das Bündnis von "Nazis, Hooligans und Alltagsrassist*innen bei Legida" zu stellen. Sie kritisieren das erneute Demonstrationsverbot und fordern "Legida zivilgesellschaftlich, nicht obrigkeitsstaatlich" ein Ende zu setzen. "Die Lösung kann nicht der fortdauernde Eingriff in Grundrechte sein", stellt die Sprecherin Juliane Nagel fest. "Wir werden Legida den Platz nehmen und für eine offene und solidarische Gesellschaft streiten, auf der Straße genau wie im Alltag", erklären die Aktivist*innen auf ihrer Website. Für den kommenden Montag sind nun wieder zahlreiche Gegenproteste in Leipzig geplant. Legida will gegen das Versammlungsverbot klagen, sollte dem stattgegeben werden, ist die Leipziger Zivilgesellschaft vorbereitet. Angesichts des Fehlverhaltens der Polizei in den letzten Wochen stellt sich aber die Frage, ob die Begründung des Ordnungsamts Leipzig nicht gerechtfertigt ist.

 

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"Gemeinsam-Stark"– in Ludwigshafen schwach vertreten

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Bis zu 400 Hooligans und Ultras demonstrierten am Wochenende in Ludwigshafen, aufgerufen hatte der HoGeSa-Nachfolger "Gemeinsam-Stark Deutschland e.V.". Die Stadt Ludwigshafen hatte im Vorfeld eine Demonstration verboten und nur eine Kundgebung unter strengen Auflagen genehmigt. Mehrere Tausend Menschen stellten sich der rechtspopulistischen Demonstration entgegen. Angemeldet hatte sie der Pro-NRW Ratsherr Dominik Roeseler aus Mönchengladbach, der zuletzt die HoGeSa-Demonstration in Köln geleitet hatte.

Von Lina Morgenstern

Es sollte ein historischer Tag werden, der Jahrestag des Aufstands der Fußballhooligans gegen den Islam in Deutschland. Am 08.Februar 2014 hatten Hooligans und Ultras das erste Mal gemeinsam einen Aufzug von Salafisten in Mönchengladbach gestört. Um an diese Tradition anzuknüpfen, wollte sich der im Januar gegründete und als HoGeSa-Nachfolger gehandelte "Gemeinsam-Stark e.V. Deutschland" (GSD) in Ludwigshafen versammeln und rief dazu auf, "Teil einer revolutiionären Massenbewegung" zu werden. Die Stadt hatte die angemeldete Demonstration aus Angst vor einer Eskalation wie in Köln vergangenes Jahr verboten und nur eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz genehmigt. Zu dieser gesellten sich dann 300-400 Teilnehmer*innen, angemeldet waren 1.000. Begleitet wurden sie von zahlreichen Gegenprotesten.

Breite Gegenprostete und viele Festnahmen

"Danke, dass Sie bei diesem Wetter nicht im Bett geblieben sind. Wir sind die Mehrheit, nicht die paar Hooligans, die aus ganz Deutschland zusammenkommen", begrüßte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) die Gegendemonstrationen in der Innenstadt. Die Organisator*innen sprechen von 3000 bis 4000 Menschen, die zu den sechs angemeldeten Demonstrationen gekommen sind, die Polizei geht von 2000 Menschen aus. Auch Stadträte der AfD wollten sich mit einer Fahne anschließen, wurden aber von couragierten Personen daran gehindert.

Am Ende des Tages meldete die Polizei, dass mehr als 130 Gegendemonstrant*innen aus dem "linksautonomen Lager" festgenommen worden seien. Sie hätten sich nicht an die Auflagen gehalten, ihnen werden unter anderem Verstoß gegen das Vermummungsverbot und Sachbeschädigung vorgeworfen. Alle Festgenommenen müssten mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruch rechnen. Auf der Seite der Hooligans gab es eine Festnahme, der Festgenommene soll einen Polizisten ins Gesicht geboxt haben. Wie Faszination Fankurve berichtet sollen 25 Hooligans mit Pflastersteinen bewaffnet gewesen sein, festgenommen wurden sie deshalb aber nicht, erhielten aber Platzverweise.

In Ludwigshafen trifft sich HoGeSa light

Sonst verlief die GSD-Kundgebung störungsfrei und unter strengen Auflagen. Angemeldet wurde die Kundgebung von Dominik Roeseler, der auch die HoGeSa-Demonstration in Köln angemeldet hatte. Er ist außerdem Pro-NRW Ratsherr in Mönchengladbach und Fan des dortigen Fußballvereins Borussia Mönchengladbach. Auf der Kundgebung schimpfte er über die vermeintliche Entwicklung zum neuen deutschen  Unrechtsstaat und über das Verbot des Auftritts der rechten Band "Kategorie C – Hungrige Wölfe" bei der Demonstration. Auch die strengen Auflagen schmeckten ihm nicht, obwohl sich GSD auf ihrer Website vorsorglich selbst eine strenge Hausordnung für Demonstration gegeben hatte, die ein Waffen-, Alkohol- und Vermummungsverbot mit einschließen. Außerdem solle von den Demonstrationen keine Provokation ausgehen. Trotzdem erschienen in Ludwigshafen 25 mit Pflastersteinen bewaffnete Personen. Weiterhin steht in den Demonstrationsregeln unter "11: Mit Vertretern der Presse ist jede Art der Kommunikation zu unterlassen". Man kennt das von Pegida, deren Organisator*innen den Mitlaufenden von Beginn an einen Maulkorb verpasst hatten. Es ist die gleiche Mär von der "Lügenpresse", die auch der GSD e.V. erzählt. So verwundert es kaum, dass die Wenigen in Ludwigshafen neben einem kurzem "Wir sind das Volk!" auch die bei Neonazis beliebte Version "Lügenpresse auf die Fresse" skandierten. Da sich GSD selbst eine gewaltfreie Demonstration verordnet hatte, war wie Christoph Ruf im Spiegel berichtet die Arbeit der wenigen anwesenden Journalist*innen jedoch kein Problem.

Kräftiges "Ahu" für Zahid Khan, den "neuen Propheten"

Eingeheizt wird dafür von dem selbst ernannten Islamkritiker Zahid Khan. PI-News bezeichnet ihn als "ehrenwerten Moslem", dabei will Khan vom Islam eigentlich gar nichts wissen. Er ruft seinem Publikum mal in Englisch, mal in Deutsch zu: "Diese islamische Ideologie gehört in kein Land, in dem die Demokratie herrscht und wo die Menschen in Frieden zusammen leben wollen". Das Publikum unterstrich seine Sätze mit einem kräftigen "Ahu!" Im Fortgang seiner Rede berichtete Khan dann unglaubliche Fakten, wie dass die Europäische Union plane, jede Kritik am Islam unter Strafe zu stellen. Und dass der Chef der EU selbst ein Moslem sei. Im Geheimen, versteht sich, schließlich ist Jean Claude Juncker Mitglied einer christlichen Partei und besuchte einige Jahre lang eine christliche Klosterschule.

Khan bezeichnet sich auf seiner Website selbst als "neuer Prophet", der die göttliche Wahrheit offenbart und alle Menschen vor der Gefahr des Islam warnen will. Schon bei HoGeSa in Köln war er als Redner anwesend, ebenso trat er bei Bragida in München auf und für die kommende GSD-Demonstration im März ist der Tausendsassa ebenfalls angekündigt.

"Gemeinsam-Stark Deutschland" versteht sich aus überparteilich und besser als Pegida

Ob die GSD-Anhänger*innen Khan als einen neuen Propheten wollen, lässt sich nur vermuten. Einig scheinen sie sich in ihrer Liebe zum Fußball, einer anderen Art von Religion. In ihrer Selbstdarstellung erklären sie, dass sich bei GSD "normale Fußballfans wie auch Ultras und Hools" wiederfinden. Darüber hinaus wollen sie nicht nur "den klassischen Stadiongänger" ansprechen, sondern erklären ihre breite Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager. Im Netz betont ein Aktivist, dass man es bei GSD mit "4500 Oldschool-Hooligans" zu tun habe. So oder so: das erwartete Mobilisationspotential wurde nicht auf die Straße gebracht. Auch die breite Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager war nicht in Sicht.

GSD sieht sich außerdem als Weiterentwicklung von überparteilichen Aktionsbündnissen, wie Pegida und HoGeSa. Eine Demonstration, die von dem Pro-NRW Mitglied Roeseler angemeldet und auch von NPD-Aktivisten besucht wurde, kann jedoch schwer als überparteilich bezeichnet werden. Auch extremistisch will man hier nicht sein, GSD beruft sich aber offen auf den Neonazi-Slogan "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!", der auch auf der Kundgebung mehrfach gebrüllt wurde. Im "Blick nach Rechts" werden noch weitere Ex-HoGeSa-Aktivisten aufgezählt, die jetzt beim GSD e.V. aktiv sein sollen. In der Rhein-Neckar-Region gibt es schon lange bekannte Verstrickungen von organisierten Neonazis und Fußballhooligans, inzwischen wirkten diese erst bei HoGeSa, jetzt bei GSD. Ähnliches spielt sich in Thüringen ab, in der Landeshauptstadt Erfurt war erst Ende Januar der verschwörungstheoretische "EnDgAmE"-Aufmarsch von den "Patriotischen Europäern gegen die Amerikanisierung Europas" auch aus dem Fußballmilieu unterstützt wurden. Am 15.März ist hier der nächste GSD-Aufmarsch angemeldet. Ob das "Volk" kommt, bleibt abzuwarten.

 

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Jeder fünfte Hooligan in Sachsen ist ein Nazi

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Auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im sächsischen Landtag teilte die Staatsregierung mit: jeder fünfte gewaltbereite Fußballfan in Sachsen sei 2014 als rechtsextremistisch einzustufen. Das ist ein Anstieg um fast die Hälfte, da das Innenministerium in den letzten Jahren von 13% Rechtsextremisten unter den Fußballhooligans ausging.

Von Lina Morgenstern

Insgesamt zählt das Innenministerium unter Markus Ulbig (CDU) etwa 160 Rechtsextremisten in der gewaltorientierten Fanszene in Sachsen. Zuletzt waren sächsische Hooligans nach einem Gerichtsurteil in der Presse. Der Bundesgerichtshof hatte mit einem Urteil gegen die Dresdner Gruppe "Hooligans Elbflorenz" einen Präzedenzfall geschaffen und die Gruppe als kriminelle Vereinigung nach Paragraf 129 StGB verboten. Einzelne Mitglieder der Gruppe sollen ebenso Neonazis sein und auch Verbindungen zur ehemaligen Kameradschaft "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) besitzen. Darüber hinaus warnen Expert*innen seit Jahren, dass besonders Rechtsradikale in den Fußballstadien Jugendliche rekrutieren und über den Sport für rechtsextreme Ideen begeistern.

Rechtsextreme Fangruppen in Chemnitz, Leipzig und Dresden

Als rechtsextrem stuft das Innenministerium Sachsen besonders das mittlerweile aufgelöste  "Scenario Lok" vom Leipziger Verein 1. FC Lokomotive, die Gruppe "Faust des Ostens" aus dem Fanumfeld von Dynamo Dresden und aus der Fanszene des Chemnitzer FC die Gruppen "New Society" und "Kaotic Chemnitz" ein. Dem Scenario Lok sollen bis zu 70 Personen angehört haben, die auch Verbindungen zu den Freien Kräften in Leipzig sowie zur NPD und ihrer Jugendorganisation JN besaßen. Letzten Herbst löste sich das Scenario offiziell auf, wie Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) vermutet aber nur, um Repressionen des Vereins zu entgehen. Die Mitglieder von Scenario erklärten damals, dass ihre Liebe zum Verein ungebrochen sei. Es ist zu vermuten, dass sie sich in anderen Gruppen, wie bei den "Gaunern Lok" organisieren. Über neun Jahre war Scenario die dominierende Gruppe in der Fanszene bei Lok Leipzig und entfaltete eine integrative Kraft in der Kurve. Zuletzt waren die Ex-Mitglieder der Gruppe als offizielle und inoffizielle Ordner bei den Demonstrationen der rassistischen Legida in Erscheinung getreten.

Bei dem mit über 14.600 Mitgliedern größten und beliebtesten Fußballverein Ostdeutschlands, Dynamo Dresden, tummelte sich in den vergangenen Jahren die als rechtsextrem einzustufende Gruppe "Faust des Ostens". Diese erhielt aber schon vor Jahren durch die aktive Dresdner Fanszene ein Auftrittsverbot für den Dresdner Fanblock. In der Antwort der Staatsregierung wird diese Gruppe mit bis zu 40 Personen beziffert. Sie scheint also nur aus dem Fanblock, nicht aber aus der Welt zu sein.

Im Zuge des Vereinsverbots gegen die Neonazi-Kameradschaft" Nationale Sozialisten Chemnitz" war auch die von der Staatsregierung als rechtsextrem eingestufte Gruppe "New Society" in den bundesweiten Medien aufgetaucht. "Die Gruppierung New Society hatte bis zum Verbot der ´Nationale Sozialisten Chemnitz´ (NSC) Verbindungen zu diesen", führt das Innenministerium in der Antwort aus.  Szeneintern wird die rechte Hooligangruppe des CFC "NS-Boys" genannt, es liegt nahe, dass sie den Neonazis zur Rekrutierung und Ideologisierung junger Fußballfans diente. Die "NS-Boy" besuchten gemeinsam Heim- und Auswärtsspiele des CFC oder der Vereine von befreundeten Ultra-Gruppen. Beim CFC haben sie seit 2006 Stadionverbot. Daraufhin gingen einige Mitglieder zur Gruppe "Kaotic Chemnitz", die vom Innenministerium auch als rechtsextreme Gruppe geführt wird. In Chemnitz haben sie aber auch seit 2012 Stadionverbot.

Trotz Millionen Fördergelder für Demokratie: Anstieg der Rechten Fans

Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) stellt jährlich Anfragen an die sächsische Staatsregierung, um über die aktuelle Situation mit Rechtsextremisten im Fußballumfeld zu informieren und aufzuklären. Sie findet den Anstieg der Rechten unter den gewaltbereiten Fußballfans besorgniserregend und kritisiert die bisherige Untätigkeit von Innenminister Markus Ulbig. "Es braucht jetzt endlich Handlungskonzepte. In unserem sächsischen Demokratieförderprogramm ´Weltoffenes Sachsen´ wurde eine Million Euro für Demokratieförderung allein für Sportvereine, Kirchen oder Freiwillige Feuerwehr zur Verfügung gestellt. Wie kann es dann zu so einem Anstieg bei eben diesen Sportvereinen kommen?!" Sie sieht aber auch die Vereine in der Pflicht. Sie sollen sich mit dem Innenministerium an einen Tisch setzen und nach Handlungskonzepten suchen. Außerdem sollten sie Mittel vom Weltoffenen Sachsen abrufen, um Präventionskonzepte zu finanzieren. Denkbar sind Gedenkstättenfahrten für jugendliche Fußballfans in ehemalige NS-Konzentrationslager oder auch eine stärkere Unterstützung für Projekte mit Flüchtlingen, wie sie in Brandenburg zum Beispiel der SV Babelsberg 03 mit seiner Flüchtlingsmannschaft "Welcome United" betreibt.

Beim Dresdner Verein Dynamo Dresden gibt es schon einige Bewegung. Seit Jahren ist der Slogan einer antirassistischen Faninitiative"Rassismus ist kein Fangesang" auf der Stadionleinwand während des gesamten Spiels präsent. Auch lädt die Fangruppe seit 2013 immer wieder Asylsuchende aus der Region Dresden zu Heimspielen ein und unterstützt Flüchtlingsinitiativen wie "Buntes Radebeul" durch die Sammlung von Sachspenden.

Lösung? Verbot von Hooligangruppen als kriminelle Vereinigung

Kürzlich urteilte der Bundesgerichtshof, dass die Dresdner Fangruppe "Hooligans Elbflorenz" als kriminelle Vereinigung nach Paragraf 129 StGB verboten bleibt. Nach dem Urteil kündigte unter anderem Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) eine stärkere Strafverfolgung gewaltbereiter Hooligans an. Mehrere Hooligangruppen, wie die rechtsextreme "Standarte Bremen", lösten sich nach dem Urteil vorsorglich auf, um Überwachungsmaßnahmen und Strafverfolgung zu entgehen, die aus einem Verfahren nach §129 folgen. Bremens Innensenator stellte aber klar, dass auch bei Auflösung der Gruppen nicht verjährte Straftatbestände, wie die Verabredung zu "Drittortauseinandersetzungen" (juristisch für Hooligankämpfe), strafrechtlich verfolgt werden können.

In Sachsen scheint das Interesse an den Hooligans trotz ihres militanten Auftretens, zuletzt im Rahmen der Legida- und Pegida-Demonstrationen, gering zu sein. Hier antwortet das Innenministerium auf die Frage nach den bekannten Straftaten im Bereich politisch motivierter Kriminalität, die von Fußballfans begangen wurden, dass es dazu keine Statistik gebe. Und weiter: "Dies ist im Hinblick auf die große Anzahl der in Betracht kommenden Verfahren im Rahmen (…) einer kleinen Anfrage (…) unverhältnismäßig und ohne Einschränkung der Funktionsfähigkeit der sächsischen Polizei nicht zu leisten." Zwar findet auch Kerstin Köditz, dass Repression nicht genug ist. Aber sie fordert trotzdem, dass die sächsische Polizei in einer Straftatenanalyse Schwerpunkte benennt, um Ansatzpunkte für Gegenstrategien zu finden. "Es geht um die Einstellungen in den Köpfen. Repression bewirkt nur, dass sich Gruppen wie Scenario Lok auflösen, einen neuen Namen geben und dann immer noch in den Stadien präsent sind. Es muss um Prävention gehen, hier sind auch die Vereine und Fanprojekte gefordert."

 

Mehr im Internet:

Die Kleine Anfrage der sächsischen Linksfraktion inklusive Antwort des Innenministeriums (Drucksache 6/579)

Mehr über rechte Fans beim CFC: Fußball, Freundschaft, Fackelmärsche (Publikative.org)

"Scenario Lok" legt sein Label ad acta (Fussball-gegen-nazis.de)

SG Dynamo Dresden: Rassismus ist kein Fangesang (Fussball-gegen-nazis.de)

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Ahnungslos in Magdeburg: Landesregierung erkennt Hass erst, wenn "NPD" drauf steht

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In Magdeburg hat der Landtag über Rassismus, Diskriminierung und Nazis im Fußball debattiert. Die schwarz-rote Landesregierung sieht keine Probleme. Dabei treiben in dem ostdeutschen Bundesland rechtsextreme Hooligans und Ultras sowie ein rechter Fußballverein ihr Unwesen, schüchtern alternative Jugendliche ein, bedrohen Oppositionspolitiker oder skandieren antisemitische Parolen im Stadion.

Von Lina Morgenstern

"Wir stehen früher auf" ist das Motto des Landes Sachsen Anhalt. Im Bereich Rechtsextremismusprävention und Fußballsport kann davon keine Rede sein. Die Grüne Fraktion im Magdeburger Landtag hatte zum Thema im vergangen Jahr eine Große Anfrage gestellt, Ende Februar debattierte der Landtag darüber. Geht man nach den Angaben der Landesregierung, hat der Fußball eigentlich kaum Probleme, zumindest nicht mit Rechtsextremen oder Hassverbrechen. Rechte Fangruppen, wie die  Hooligans der "Blue White Street Elite" oder die "Saalefront-Ultras" sind kein Thema für die Landesregierung. Von den rund 180.000 Fußballspielen der unteren Ligen zählen sie gemeinsam mit dem Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) von 2008 bis 2014 nur 49 Vorfälle mit rechtsextremer Motivation, das liegt im Promillebereich. In den rund 1230 anderen Vorfällen grob unsportlichen Verhaltens, Beleidigung der Schiedsrichter*innen oder Tätlichkeiten könnten sich weitere Hassverbrechen, wie rassistische Äußerungen verbergen – man weiß es aber nicht genau. Der Landessportbund (LSB) antwortet genauer als der FSA, er nimmt verbale Attacken mit rassistischem, antisemitschen und rechtsextremistischem Hintergrund wahr, unter anderen Gewaltäußerungen. Seit 2010 hat die Polizei aber keine derartige Gewaltstraftat mehr registriert.

Innenministerium in Sachsen-Anhalt ist blind für Diskriminierung im Fußball

"Straftaten mit homophober Ausprägung wurden von der Landesregierung gar nicht registriert. Das stößt schon auf. Wir wissen, dass im Fußball starke Probleme mit Homophobie bestehen – warum sollte das in Sachsen-Anhalt anders sein", fragt sich Sebastian Striegel, Abgeordneter für die Grünen im Landtag. Er hat die Große Anfrage an die Regierung gestellt und äußerte sich zuletzt sehr kritisch gegenüber den Antworten. "Die von der Landesregierung vorgelegten Antworten zeigen vor allem, dass wir über Diskriminierung im sachsen-anhaltinischen Sport noch viel zu wenig wissen. Betroffene trauen sich nicht, ihre Erfahrungen offen zu legen, sonst würden die Zahlen steigen", fährt er fort. Er ist aufgeregt darüber, dass das zuständige Landesministerium für Inneres und Sport so wenig Bescheid weiß, über die Zustände auf den Fußballplätzen. Und auch die Ignoranz des FSA ärgert ihn.

Neonazis auf dem Fußballplatz? Nie gesehen!

So wenig wie homophobe Äußerungen erkennt die Landesregierung Überschneidungen zwischen Neonazis und Fußballfanszenen, Fußballvereinen oder Ordnerdiensten. Das verwundert besonders in einem Land, wie Sachsen-Anhalt. Beim Halleschen FC prägte die rechte Ultragruppe "Saalefront" jahrelang die Fankurve, war für medienwirksame rassistische Ausschreitungen und antisemitische Schmierereien verantwortlich. "Aber solange die rechten Fans kein NPD-Parteibuch in der Tasche haben, sind sie für den Verfassungsschutz keine Neonazis. Die Behörden verkennen hier klar die Wirkmechanismen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und rechten Unterwanderungsversuchen", kritisiert Striegel. Im vergangenen Jahr reagierte dann auch der Hallesche FC auf die rechten Fans und erklärte "Der zwischenzeitlich eingetretene Imageverlust für den Halleschen Fußballclub und die Stadt Halle ist nicht mehr akzeptabel." Jegliche Symbolik der Gruppe wurde im Stadion verboten. Zwischenzeitlich hatten die Saalefront-Ultras ihrerseits schon die Hallesche Fanszene verlassen, weil sie mit deren neu gefasstem "Fan-Ethik-Kodex", der sich u.a. von allen Formen von Rassismus und Diskriminierung distanziert, keine Auslebung ihrer Fankultur mehr gewährleistet sahen. Ähnlich wie nach der offiziellen Auflösung der rechten Gruppe Scenario Lok in Leipzig,  kann man aber davon ausgehen, dass auch die Mitglieder der Saalefront Ultras ihrem Verein nicht den Rücken gekehrt haben.

Rechtsextreme Fans aus in den unteren Ligen und beim FC Magdeburg

Mit der "Blue White Street Elite" (BSWE) kann der 1. FC Magdeburg mit einer eigenen rechtsradikalen Hooligangruppe aufwarten. Zuletzt war es im Januar diesen Jahres laut um die Gruppe geworden, als rechtsextreme Fußballhooligans in einer Magdeburger Diskothek Hitler-Grüße  zeigten, randalierten und nach ihrem Rauswurf auf dem Weg zum Bahnhof mehrere Iraker angegriffen hatten. Der Staatsschutz ging davon aus, dass auch Mitglieder der BWSE beteiligt waren und nahm in diesem Zusammenhang die Prüfung eines neuen Verbotsverfahrens der Gruppe auf, nachdem 2010 das letzte Verbot vom Oberlandesgericht gekippt worden war. David Begrich vom Demokratieverein "Miteinander" aus Magdeburg geht zwar davon aus, dass die BWSE nur noch als "informeller Zusammenhang" besteht. Grünen-Abgeordneter Striegel fordert trotzdem, ein neues Verbotsverfahren anzustreben, da mit dem Präzedenzurteil vom Bundesgerichtshof zu Hooligangruppen Ende Januar neue juristische Möglichkeiten geschaffen wurden. Der BGH hatte die rechte Gruppe "Hooligans Elbflorenz" als kriminelle Vereinigung nach §129 StGB verboten, auch diese bestand laut Aussagen von Fanszenebeobachtern nur als informeller Zusammenhang. Im Nachgang lösten sich bis heute mehrere Hooligangruppen wie "Standarte Bremen" offiziell auf, um den polizeilichen Ermittlungen zu entgehen. Übrigens zählt man in Sachsen-Anhalt nur 344 Gewalttäter Sport, davon ist eine Person zugleich auch in der Datei "Gewalttäter rechts" gespeichert.

Nazis im Amateurfußball: der FC Ostelbien Dornburg

Man könnte vermuten, dass Dennis Wesemann dabei ist, aber man weiß es nicht. Wesemann ist Gründungsmitglied der BWSE, rechtsextremer Kommunalpolitiker im Jerichower Land und Stürmer beim Amateurverein FC Ostelbien Dornburg. Er trägt kein NPD-Parteibuch, aber fällt seit Jahren durch rechtsradikale Bestrebungen auf, ist mehrfach vorbestraft, viele nennen ihn "Neonazi". Auch der Verfassungsschutz schätzt im MDR Exakt ein, dass er eine Person ist, die "... aktiv in die örtliche rechtsextremistische Szene im Jerichower Land eingebunden (ist)". Er ist Ortsbeirat in Stresow, dem Dorf, in dem zur Landtagswahl 2011 jede*r Vierte die NPD gewählt hat. Im Juli 2014 kandidierte er als Oberbürgermeister, griff sogar einen Gegenkandidaten tätlich an. Striegel erklärte zur Kandidatur Wesemanns gegenüber MDR Exakt: "Dennis Wesemann ist jemand, der seit Jahren in der neonazistischen Szene unterwegs ist. Der selbst durch antisemitische Äußerungen aufgefallen ist. Der mit in einem rechten Fußballverein ist. Und so jemand will als Nichtdemokrat demokratischer Ortsbürgermeister werden, das kann nicht sein."

Auch sein Fußballverein der FC Ostelbien Dornburg (FC OD) kommt in der Antwort der Landregierung nur kurz vor: "Es ist anzumerken, dass eine organisatorische Einbindung in rechtsextremistische Personenzusammenschlüsse bei keinem der besagten Vereinsmitglieder vorliegt". Das Innenministerium ermittelte nur gegen 15 Personen aus dem Gründungskreis wegen politisch rechts motivierter Straftaten. Damit ist der Verein ein Paradebeispiel für Rechtsextreme im Fußball. Er wurde von Neonazis und Hooligans mit gegründet, die meisten Mitglieder haben rechte Weltanschauungen. Der LSB Sachsen-Anhalt hatte versucht, dem Verein die Anerkennung als Sportverein zu verweigern, war damit aber in der ersten Instanz im Eilverfahren gescheitert und nicht in die Revision gegangen. Solange der FC OD nicht als politisch rechtsextremer Akteur auftritt, kann er in den Kreisliga problemlos weiter spielen. Nach Aussage der Pressestelle im Innenministerium liegen bis Redaktionsschluss keine weiteren Kenntnisse über den Verein vor, der Verfassungsschutz beobachtet ihn nicht.

HoGeSa und MAGIDA – rechtsextreme Fußballfans aus Sachsen-Anhalt immer dabei

Seit der Großen Anfrage und der Erteilung einer Antwort im vergangenen Sommer ist in Sachsen-Anhalt einiges in Bewegung. Bekannte Hooligans sind zur HoGeSa-Demonstration nach Köln gereist, eine eigene HoGeSa Veranstaltung in Halle wurde im November angekündigt, fand dann aber nicht statt. Diesen Januar begannen in Magdeburg die MAGIDA-Demonstrationen, Ableger der rassistischen und islamfeindlichen Pegida aus Dresden. Der Demokratieverein "Miteinander" teilte mit, dass sich die MAGIDA-Organisator*innen und ihre Ordner*innen mehrheitlich aus der rechten Fußball- und Hooliganszene rekrutieren.

Landessportbund will mit "MuT" Abhilfe schaffen

Abhilfe soll seit November 2011 das Projekt "Menschlichkeit und Toleranz im Sport" (MuT) schaffen. Es wird vom LSB getragen und durch Bundesmittel sowie einen kleinen Zuschuss des FSA getragen und soll Sportler*innen wie Fans für Menschenverachtung und Hass im Fußball sensibilisieren, außerdem Vereine bei Problemen beraten. "MuT" begleitet Vereine auch, wenn sie Nazis aus dem Verein ausschließen wollen und hat sich laut Landesregierung als Anlaufstelle bei Problemfällen etabliert. Auch Striegel schätzt die Arbeit des "MuT" Projekts. Probleme gibt es derzeit in der Finanzierung. Die Mittel sanken im Vergleich mit dem Vorjahr für 2015 um ein Viertel auf 150.000 Euro. Projektkoordinator Helge Tiede erklärte, dass diese Einsparungen einen tiefen Einschnitt in die Arbeit von "MuT" bedeuten und man sich jetzt sehr genau überlegen müsse, wo man noch zumindest punktuell arbeiten könnte. Striegel fordert, dass sich das Land und auch der Fußballverband FSA jetzt stärker finanziell einbringen müssen, um die kontinuierliche und nachhaltige Arbeit von MuT zu erhalten. Spielräume sieht der Oppositionspolitiker generell noch in der Bearbeitung von Homo- und Transphobie im sachsen-anhaltinischen Fußball: "Sportarten wie Fußball bauen auf traditionelle Rollen- bzw. Männlichkeitsbilder auf, im Falle vom Fußball sogar auf eine Überhöhung von Männlichkeit. Gerade dort spielen deshalb Gewaltakzeptanz, Homo- und Transphobie eine größere Rolle." Dem möchte sich auch das MuT Programm stärker zuwenden – wobei am Ende die Frage bleibt, ob es mit den reduzierten Mitteln und der Ansicht der Landesregierung, Homophobie gäbe es im Fußball des ostdeutschen Bundeslandes nicht, überhaupt eine sinnvolle Bestandsaufnahme und Strategien entwickeln kann.

Mehr im Internet:

Heute (11.03.) kam die Antwort vom Innenministerium Sachsen-Anhalt zu unserer Presseanfrage. Die wollten wir im originalen Wortlaut einfach nicht vorenthalten, im MDR Exakt Beitrag äußerte sich der VS-Leiter Hollmannübrigens etwas anders:

Aufgabe des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. Hierunter fallen unter anderem rechtsextremistische Aktivitäten. Gemeinhin als „rechts“ bezeichnete Aktivitäten, die die Schwelle des Rechtsextremismus nicht erreichen, werden hingegen nicht erfasst. Dies vorangestellt, ergeben sich für den FC Ostelbien Dornburg  und die Blue White Street Elite  folgende Einschätzungen:‎

1. FC Ostelbien Dornburg

Zielgerichtete rechtsextremistische Unterwanderungen sind bei Fußballvereinen in Sachsen-Anhalt nicht festzustellen. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass sich Personen aus der rechtsextremistischen Szene, insbesondere aus dem nicht organisierten, subkulturellen Bereich in Sportvereinen zusammenfinden. Ein Beispiel mit relativ hoher Schnittmenge ist aus Sicht des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt der FC Ostelbien Dornburg. Hier ist seit geraumer Zeit bekannt, dass gegen mehrere Personen aus dem Kreis der Gründungsmitglieder und Spieler u. a. Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Begehen politisch rechts motivierter Straftaten eingeleitet worden sind. Dennoch liegen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich beim FC Ostelbien Dornburg um eine rechtsextremistische Bestrebung handelt, die sich aktiv und geschlossen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet.

2. Blue White Street Elite

Die Blue White Street Elite an sich wird derzeit noch  nicht als rechtsextremistische Gruppierung eingeschätzt. Vielmehr sind hier u. a. Personen anzutreffen, die dem Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt als aktive Rechtsextremisten hinlänglich bekannt und in der örtlichen rechtsextremistischen Szene aktiv eingebunden sind. Soweit Anhänger der Blue White Street Elite im Rahmen der Ausübung von Straftaten der politisch motivierten Kriminalität (rechts) bekannt geworden sind, traten diese meist einzeln oder in kleineren Gruppen auf und brachten ihre persönliche politisch-extremistische Gesinnung zum Ausdruck. Entsprechend liegen dem Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt auch hier derzeit noch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der Blue White Street Elite um eine rechtsextremistische Bestrebung handelt, die sich aktiv und geschlossen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet.‎

Bezüglich Ihrer Frage zum Stand eines Verbotsverfahrens bitte ich um Ihr Verständnis dafür, dass zu möglichen vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren und Maßnahmen keine Auskünfte erteilt werden können.

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Jetzt amtlich: Legida ist Hochburg der Hooligans

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Neue Zahlen aus dem Sächsischen Innenministerium erreichten heute die Redaktion: die Mitarbeiter*innen von Markus Ulbig (CDU) zählen hunderte Fußballhooligans und einige organisierte Neonazis bei Pegida und Legida, dem Leipziger Ableger der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Aber auch zur kleinen Schwester in Chemnitz (Cegida) gesellten sich gewalttätige Fußballfans, die sogenannten "NS-Boys".

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Laut Innenministerium nehmen an den zahlreichen Pegida-Veranstaltungen in Sachsen mehrere Hundert Fußballfans der Kategorie B (gewaltbereit) und Kategorie C (gewalttätig) teil. In den Antworten auf mehrere Kleine Anfragen des Landtagsabgeordneten André Schollbach teilte Innenminister Markus Ulbig mit, dass bei Legida am 21. Januar 120 und am 30. Januar 300 Personen aus der Hooligan-Szene mitmarschierten. Ein großer Teil von ihnen gehört der Szene des FC Lokomotive Leipzig an, die für ihre rechtsextremen und gewaltbereiten Fans bekannt ist.

Laut Innenministerium nahmen am 12. Januar 300 Fußballhooligans aus dem Umfeld von Lok Leipzig statt. Man hatte schon davon gehört, weil es an diesem Tag einen extra Treffpunkt für Lok-Fans gab, um gemeinsam zum Legida-Sammelort zu gehen. André Schollbach erklärte dazu: "Insbesondere von den LEGIDA-Aufmärschen in Leipzig ging zum Teil erhebliche Gewalt aus – auch die jetzt veröffentlichten Zahlen sprechen hier eine klare Sprache."

"NS-Boys" in Chemnitz

Auffallend sind erste Erkenntnisse über Hooligans beim Pegida-Ableger Cegida in Chemnitz, dessen Gesamteilnehmerzahlen um die 400 Personen schwanken. Das Innenministerium zählte hier 10 Mitglieder der Chemnitzer FC Fangruppe "New Society". Im Zuge des Vereinsverbots gegen die Neonazi-Kameradschaft "Nationale Sozialisten Chemnitz" 2014 war auch die von der Staatsregierung als rechtsextrem eingestufte Gruppe "New Society" in den bundesweiten Medien aufgetaucht. "Die Gruppierung New Society hatte bis zum Verbot der ´Nationale Sozialisten Chemnitz´ (NSC) Verbindungen zu diesen", führte das Innenministerium aus.  Szeneintern wird die rechte Hooligangruppe des CFC "NS-Boys" genannt, beim CFC hat sie seit 2006 Stadionverbot.

Über die Teilnahme von Rechtsextremist*innen an Pegida und Legida Veranstaltungen teilt das Innenministerium mit, dass sie einzelne Teilnehmende der organisierten Naziszene oder als Mitglieder von rechtsextremen Parteien zählt. Als Organisationen beobachtet der Sächsische Verfassungsschutz (LfV) weder Legida noch Pegida, da keine extremistischen Bestrebungen vorlägen. Allerdings hat der LfV ein Auge auf die organisierten Neonazis, die bei Legida teilnehmen. Weil der Verfassungsschutz sie sowieso beobachten muss.

Keine Zahlen für Pegida?

Für die Teilnahme von Fußballhooligans an Pegida in Dresden hat das Innenministerium überraschenderweise keine Erkenntnisse. Dabei berichten Medien, wie der Spiegel oder ZEIT Online, seit Wochen über die Hooligans, auch den eingesetzten Polizeibeamt*innen können diese nicht entgangen sein. Olaf Sundermeyer sprach in ZEIT Online von bis zu 500 Fußballhooligans bei Pegida, Spiegel-Journalist und Szenekenner Christoph Ruf geht im aktuellen Transparent Magazin von bis zu 1.000 gewaltbereiten Fußballfans bei Pegida in Dresden aus. Aber so, wie der Verein Dynamo Dresden öffentlich keine Stellung zur Teilnahme seiner (gewaltbereiten) Fans an der politischen Pegida-Demonstration beziehen will, legt auch Markus Ulbig einen Deckel darüber. Vielleicht, weil er im Sommer zum neuen Oberbürgermeister von Dresden gewählt werden möchte. Schollbach hat eine andere Theorie: "Nachdem sich Markus Ulbig am 26. Januar 2015 mit der PEGIDA-Spitze getroffen hatte, scheint es ihm schwer zu fallen, nun einzuräumen, dass auch Hooligans bei PEGIDA mitmischen. Denn dann würde deutlich werden, in welche zwielichtige Gesellschaft sich der Innenminister begeben hat."

Die Partei hat in Leipzig unterdessen eine Gegenveranstaltung zu Legida etabliert und demonstriert regelmäßig unter dem Motto "Das Original: Leipziger Ethanolfreunde gegen die Illegalisierung des Alkohols". (Quelle: Flickr.com/Caruso Pinguin)

Mehr im Internet:

Jeder fünfte Hooligan in Sachsen ist ein Nazi (Fussball-gegen-Nazis.de)

Hooligans – Die Pegida Miliz aus dem Stadion (Fussball-gegen-Nazis.de)

Bei Legida marschiert die Hoolizei – aber nicht diesen Montag (Fussball-gegen-Nazis.de)

Hooligans bei Pegida-Märschen: Die Jungs fürs Grobe (Spiegel Online)

Aktuelle Ausgabe vom Transparent Magazin für Fußballkultur mit Schwerpunkt Hogesa und Pegida, u.a. Artikel von Lina Morgenstern "Fußballfans gegen die Islamisierung Europas" und Interview mit Szenekenner Christoph Ruf à Leider nicht online, aber an vielen Bahnhofskiosken oder zu bestellen

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"Wuppertal zeigt wie´s geht": Reinfall für Lutz Bachmann

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In Wuppertal versammelten sich am Samstag Pegida-Anhänger*innen, Fußballhooligans, Salafisten und linke Gegendemonstrierende, die weder Islamismus noch Rassismus dulden wollten. Nicht einmal eine Stunde dauerte der Pegida-Aufmarsch, bevor er aufgelöst werden musste, weil einige Hooligans den friedlichen Kurs von Lutz Bachmann nicht mitgehen wollten. Pegida und HoGeSa, das hat sich am Wochenende gezeigt, passen doch nicht zusammen.

Von Lina Morgenstern

Der erste Westbesuch von Lutz Bachmann bei Pegida NRW in Wuppertal war nichts anderes als ein Reinfall. Dresdens Pegida-Anführer stand statt erwarteten 2000 Menschen höchstens 800 Personen gegenüber – unter ihnen mindestens 300 Hooligans und Neonazis. Auch deshalb kam verhaltenes Gelächter auf, als der Dresdner Pegida-Chef den Anwesenden erklärte, dass sie "zu Unrecht als Extremisten verunglimpft werden". 15.00Uhr hatte die Pegida Veranstaltung begonnen, 45 Minuten später wurde sie aufgelöst. Noch während Stargast Bachmann seine Rede hielt, begannen Hooligans, teilweise mit Alemannia Aachen oder Borussia Dortmund Schals, zu randalieren und Böller zu werfen. Anders als Bachmann via Facebook angekündigt hatte, war ihnen die Linie des Sachsen wohl nicht hart genug. In Wuppertal demonstrierten zeitgleich um die 100 Salafisten um den Prediger Sven Lau, der auch bei der Ausrufung der Scharia Polizei beteiligt war. Deshalb hatte sich selbst HoGeSa dem Pegida-Marsch angeschlossen, um die Kräfte zu bündeln.

Gemeinsamkeiten ohne Einigkeit

HoGeSa und Pegida haben einige ähnliche Linien. Sie wettern gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands, wenden sich gegen einen vermuteten Gender-Wahn, propagieren einen radikalen Patriotismus, rekrutieren besonders viele Personen aus dem Fußballfanszenen – aber passten in Wuppertal trotzdem nicht zusammen. Als Bachmann noch väterlich von der Bühne mahnte, man solle friedlich bleiben und wolle jetzt "nicht alles kaputt machen, was man in 18 Wochen aufgebaut habe", flogen schon die ersten Böller und die Polizei sah sich genötigt einzuschreiten. Mit 1.000 Beamt*innen und "großem Besteck", wie die Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher sagte, war man in Wuppertal im Einsatz. Hubschrauber kreisten über den Platz, Reiterstaffeln trennten die Demonstrantengruppen. Seit der HoGeSa-Aufmarsch in Köln 2014 derartig eskalierte, ist die Polizei im Land wachsam geworden. In Dresden hatte die Pegida-Bewegung kurz nach der Eskalaktion in Köln begonnen, ihre großen und friedlichen Spaziergänge abzuhalten. Wirklich friedlich waren sie dabei nie. Von Beginn an berichteten Augenzeug*innen über Provokationen der Pegida-Teilnehmenden, gewaltsuchende Hooligans, verbale und körperliche Attacken auf Journalist*innen sowie Einschüchterungsversuche und vereinzelte Angriffe in Richtung der Gegendemonstrierenden. Trotzdem hat Pegida geschafft, was HoGeSa nicht gekonnt hat: öffentlichkeitswirksam als gemäßigte Kraft und friedliche Bewegung aufzutreten und sich für die sächsische und mittlerweile auch die Bundes-CDU als Gesprächspartner zu platzieren.

Das Vorgehen der Polizei in NRW dagegen ist fremd für Bachmann. Er kennt Beamt*innen, die seine Demonstrationen gewähren lassen oder sich teils auch solidarisch damit erklären. Ihm ist es neu, dass sich seine Schäfchen einer Taschen- und Gesichtskontrolle unterziehen müssen. Dabei hatte Pegida NRW laut eigenen Angaben genau das von der Polizei gefordert – nämlich dafür zu sorgen, dass bekannte Hooligans und andere Gewalttäter der Demonstration fern bleiben sollen. Seit Januar grenzen sich die beiden Bewegungen deutlich voneinander. In einem langen Pamphlet erklärte HoGeSa.info, warum Pegida eigentlich eine Verschwörung von ganz oben und die Hooligans selbst die wahre Volksbewegung seien. Und Pegida betont seit Beginn an immer wieder, dass sie, in Abgrenzung zu den Ausschreitungen in Köln, zeigen "wie es geht".

"Deutschlands Hass-Hauptstadt" liegt nicht in Nordrhein-Westfalen

Nun, das ist ihnen in Wuppertal nicht gelungen. In der westdeutschen Stadt bestand fast die Hälfte des Publikum aus Hooligans, Neonazis und Verschwörungstheoretikern. Statt den zahmen "Wir sind das Volk"-Rufen schallte "Judenpresse" und "Lügenpresse halt die Fresse"über den Versammlungsplatz. Als die Polizei 15.45Uhr erklärte, dass aufgrund der Sicherheitslage kein Spaziergang möglich sei, gab die Pegida-Führung bei und löste die Versammlung selbstständig auf. Bachmann soll den Platz schnell verlassen haben, der erhoffte Triumphzug blieb aus. Trotzdem will Pegida NRW nun rechtliche Schritte einleiten, man sieht sich in Versammlungs- und Grundrechten beschnitten.

Was den Erfolg der Pegida Bewegung angeht, bleibt Dresden einzigartig. Dort gingen gestern zur 19. Pegida-Demonstration wieder über 1.000 Menschen mehr auf die Straße. Die Bewegung wächst seit ihrer Spaltung und dem Hitler-Bachmann-Eklat erneut an. Innenminister Markus Ulbig, der sich als Pegida-Versteher und Dialogsucher präsentiert, soll laut MDR als Beobachter der Demonstration vor Ort gewesen sein. Es scheint, dass nur Dresden das richtige politische Klima bietet, um einer islamfeindlichen und rassistischen Bewegung den Hof zu bereiten. Und das kann nicht an der verkehrstechnisch guten Lage liegen – im sogenannten Tal der Ahnungslosen ticken die Uhren einfach anders. Und nicht Wuppertal ist eben nicht "Deutschlands Hass-Haupstadt", wie sich einige Medien im Vorfeld überschlugen. Und in Dresdens Innenstadt herrscht seit Oktober einmal die Woche der Ausnahmezustand.

"Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf dieses durchaus schwierigen Tages. Menschen, die sich friedlich versammeln wollten, konnten ihre Meinung frei äußern. Die Wuppertaler Bevölkerung hat für alle Belastungen großes Verständnis gezeigt. Es war ein guter Tag für unsere Demokratie, die wehrhaft ist und gleichwohl nicht wehrlos", so schloss die Polizeipräsidentin von NRW den Tag ab.

Mehr im Internet

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HoGeSa quo vadis?

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Um die Hooligans gegen Salafisten ist es ruhiger geworden. Mehrfach kündigten sie Demonstrationen an und sagten sie dann wieder ab. Am Wochenende unterstützten sie eine Aufmarsch von Neonazis in Dortmund, der unter dem Motto "Wir sind das Volk" provokativ am gleichen Tag wie eine Gedenkdemonstration anlässlich des 10. Todestag eines Todesopfers rechter Gewalt in Dortmund, angekündigt wurde. Am Abend fand vor dem Westfalen Stadion dann ein Konzert mit dem Rechtsrocker "Lunikoff" statt. Zu Ausschreitungen wie in Köln kam es nicht. Bleibt die Frage: HoGeSa, quo vadis?
 
Von Lina Morgenstern
 
Bei einer Neonazi-Demonstration am Wochenende waren wieder Anhänger_innen der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) zu sehen. Sie unterstützten den Marsch, der von der Partei Die Rechte angemeldet wurde. Am Abend fand vor dem Westfalen-Stadion des BVB ein Rechtsrockkonzert mit "Lunikoff" statt, ein Transparent auf der Bühne forderte die Aufhebung des Verbots vom Nationalen Widerstand Dortmund (NWDO). Das hatten im August 2012 auch schon rechtsradikale Fans der Borussen mit einem Transparent beim Heimspiel gegen Werder Bremen verlangt.

Vor gut einem halben Jahr hatte HoGeSa in Dortmund mit 300 Teilnehmenden selbst demonstriert. Am Samstag waren wieder einige Anhänger_innen unter den 500 Rechtsextremen zu sehen, es war aber keine originäre HoGeSa-Veranstaltung. Die Demonstration der Neonazis fand an einem Jahrestag statt: Vor genau zehn Jahren hatte ein Dortmunder Rechtsextremist den Punker Thomas Schulz in einer U-Bahn-Station erstochen. Die Polizei bewertete die Demonstrationsanmeldung der Rechten als "Provokation" und versuchte den Aufmarsch im Vorfeld zu verbieten. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hob das Verbot jedoch auf. In Dortmund demonstrierten schließlich 2000 Menschen gegen den rechtsextremen Aufmarsch und in Gedenken an den Ermordeten.

Auf der Tagesordnung bleibt HoGeSa indessen in der Justiz. Nach der Eskalation der HoGeSa-Demonstration in Köln wurde nun das zweite Gerichtsurteil verkündet. Ein 38jähriger aus dem Ruhrgebiet, der mehrfach vorbestraft ist, hatte eine Glasflasche in eine Menschenmenge geworfen und wurde dafür nun zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Ein weiterer Angeklagter war nicht vor Gericht erschienen, sodass ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. Er soll in Köln eine Glasflasche auf eine Polizistin geworfen haben, diese konnte sich wegducken und wurde nicht verletzt.

HoGeSa führte seit Hannover (2014) keine eigene Demonstration mehr durch

Um HoGeSa selbst ist es ruhig geworden. Die Gruppe kündigte wiederholt Demonstrationen an und sagte sie dann wieder ab. Sie scheinen Ende Oktober letzten Jahres in Köln ihren endgültigen Höhepunkt erreicht zu haben. Damals hatten sich bis zu 4800 Menschen zu einer Demonstration "gegen Salafisten" getroffen, diese war schließlich außer Kontrolle geraten. Seitdem sind die staatlichen Behörden vorgewarnt und schon bei der Nachfolgedemonstration im November in Hannover wurde nur eine Kundgebung genehmigt, die schließlich auf einem umzäunten Platz und unter massiver Polizeibeobachtung stattfinden musste. Hier fanden sich nur noch 3000 Menschen ein, viele verließen den Kundgebungsplatz vorzeitig.

Im Januar endete dann ein Benefizkonzert für HoGeSa mit der in der rechten Szene beliebten Band Kategorie C bevor es angefangen hatte. Das Konzert war konspirativ organisiert wurden, auftreten sollten außerdem der Sänger der Rechtsrock-Band "F.i.e.L." ("Fremde im eigenen Land") sowie das aus dem gleichen Spektrum stammende Liedermacher-Duo "A3stus". Wie Blick-nach-Rechts (BNR) weiter berichtete, untersagte der Pächter der Konzerthalle "Medienbunker" im Duisburger Stadtteil Marxloh, wo das Konzert stattfinden sollte, am Abend die Nutzung seiner Räume. Die Halle sei unter falschem Vorwand angemietet wurden. Unter den Augen der alarmierten Polizei mussten 200 Konzertbesucher_innen wieder gehen, nachdem sie je 22 Euro Eintritt gezahlt und den Soundcheck gehört hatten. Ein Teil der Abziehenden grölte dabei die Parole "Nationaler Sozialismus jetzt!" BNR zitiert einen der Organisatoren, der erklärt, dass er keine direkte Auszahlung des Eintrittspreises hätte leisten können, "da unsere Mitglieder der Orga ja mit der Kasse schon über alle Berge waren!"

Auch HoGeSa-Abspaltung nicht von Erfolg gekrönt

Aufgrund inhaltlicher Querelen und unter dem Vorwurf finanzieller Veruntreuungen hatte sich im Januar die neue Gruppe "Gemeinsam Stark Deutschland e.V." (GSD) von HoGeSa abgespalten, die Anfang Februar in Ludwigshafen ihre erste Demonstration abhielt. Auch hier wurde nur eine Kundgebung genehmigt, zu der schließlich nicht mehr als 400 Teilnehmende kamen. GSD versteht sich als "Weiterentwicklung von ‚HoGeSa‘ und ‚Pegida‘", hetzt gegen "links-rot-grün versiffte Gutmenschen" und beruft sich offen auf den Neonazi-Slogan "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen". Im Vorstand von GSD ist Sven H., ein ehemals führendes HoGeSa-Mitglied (mehr dazu auf Blick nach Rechts). Nachdem eine geplante Demonstration am Ostermontag in Erfurt wieder abgesagt wurde, mobilisiert GSD am 02. Mai nach Erfurt, inklusive "Livemusik und Demo-Zug" will man hier "Hand in Hand für unsere Kinder, unser Land" demonstrieren. Da der Termin schon zweimal verschoben wurde und am 1. Mai auch die NPD eine große Demonstration in Erfurt ankündigt, bleibt abzuwarten, ob die Hooligans wirklich marschieren werden.

HoGeSa nur noch als Trittbrettfahrer unterwegs

Zuletzt traten originäre HoGeSa-Anhänger_innen in Wuppertal bei einer Pegida-Demonstration auf. Sie hatten in die Stadt mobilisiert, um gemeinsam gegen eine Demonstration von Salafisten vorzugehen. Nach knapp einer Stunde sprengten die Hooligans jedoch die Pegida-Veranstaltung, noch während Lutz Bachmann aus Dresden sprach. Es hatte doch überrascht, dass HoGeSa überhaupt zur Pegida-Demonstration aufrief, da sie sich auf ihrer eigenen Website Hogesa.info mit einer ausgeklügelten Verschwörungstheorie gegen die rassistische und islamfeindliche Bewegung aus Dresden klar abgrenzen.

Da jedoch eigene Demonstrationsversuche immer wieder scheitern, fehlt HoGeSa mittlerweile die Öffentlichkeit. Die selbst ernannte "Volks"-Bewegung fungiert nun als Trittbrettfahrerin und schloss sich mehrfach Demonstrationen der *GIDA-Bewegungen oder anderen Aufrufen an. Eigene Veranstaltungen wurden teils abgesagt, teils verboten wie ein geplanter Aufmarsch am 18. Januar in Essen. Die Schuld dafür suchen die Organisator_innen immer wieder im Diktat des "Lügenstaats", in den Mutmaßungen der "Lügenpresse"über ihre rechtsextremen Verbindungen und Ideen, aber auch im Erfolg der Pegida-Bewegung aus Dresden. Diese Demonstrationsform, die sich wesentlich bürgernäher gibt und auch anschlussfähig für demokratische Parteien ist, zeigt sich in der Tat erfolgreicher.

Probleme mit den rechten Hooligans manifestieren sich in den Fußballstadien

Es bleibt die Frage, was aus HoGeSa selbst wird. Der Leiter der Koordinationsstelle der Fanprojekte Michael Gabriel erklärte im Hamburger Abendblatt, dass besonders der Fußball die Entwicklung um HoGeSa nicht ignorieren dürfe, "weil sich die Politisierung der Hooligans an einigen Fußballstandorten wie Aachen, Dortmund, Duisburg oder Düsseldorf schon länger angekündigt hatte. Dort wurden die jungen anti-rassistisch engagierten Ultras von den alten Hooligans angegriffen". Bekannterweise sind die Aachen Ultras ACU bis jetzt nicht wieder in die Fußballstadien zurückgekehrt, obwohl sich beim Verein mittlerweile etwas tut. Auch wenn es die Hooligans nicht mehr schaffen, eine dauerhafte und gemeinsame politische Meinungsäußerung auf die Straße zu tragen, so sind sie doch in den Fankurven gestärkt wurden und haben ihrer Rückkehr Nachdruck verliehen. Das Problem bleibt so bestehen und verzweigt sich nur zurück in die Stadien. An einigen Standorten wird HoGeSa so noch lange Thema bleiben – egal ob erfolgreich demonstriert werden kann oder nicht.

 

Mehr im Internet:

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Cottbus mit rechten Ultras beim Halbfinale in Potsdam

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Beim Halbfinale im Brandenburger Landespokal Babelsberg gegen Cottbus rauchte es häufig.
Sören Kohlhuber
Aufmacherbild-Link: 
https://www.facebook.com/soeren.kohlhuber

Das Halbfinale im Landespokal zwischen dem SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus – 15.04.2015 | 0:2 |  5251 Zuschauer

Licht, Rauch, Provokationen und ansehnlicher Fußball machten dieses Match zu einem echten Leckerbissen, der leider durch antisemitische, antiziganistische und rassistische Vorfälle einen faden Beigeschmack behalten hat.

Von Rainer Fox

SV Babelsberg 03 gegen Energie Cottbus - war da nicht mal was? Nee! Denn die letzte Pflichtspielansetzung der beiden ersten Mannschaften ist fast 30 Jahre her. Doch sollten dem geneigten Fußballfan sofort zwei, drei andere Punkte einfallen, die dieses Spiel durchaus attraktiv erscheinen lassen.

Zu nennen ist hier die finanzielle Notlage der Potsdamer, die über den Einzug ins Finale und die damit verbundene Geldspritze sicherlich dankbar gewesen wären. Es war also zu erwarten, dass sich alle blau-weißen kräftig ins Zeug legen. Weitere Faktoren stellen natürlich die Spielstätte und die Anstoßzeit dar. Das "KarLi" in Babelsberg ist ein Stadion von dem es leider nicht mehr viele in Deutschland gibt und daher immer eine Reise wert. Dazu noch Flutlicht und Derbycharakter, beste Umstände also für einen Abend voller Emotionen und Pyrotechnik.

Politisch brisantes Spiel

Der im Vorfeld am stärksten diskutierte Punkt war aber die politische Selbstdarstellung der beiden Fanszenen. Babelsberg mit dem Filmstadt Inferno bekennt sich offen als antifaschistisch und war bis Ende letzten Jahres außerdem Mitglied im linken Alerta-Network. Es gibt viele Fanfreundschaften, beispielsweise mit Sankt Pauli und den Dissidenti aus Düsseldorf.

Bei den Gästen aus Cottbus finden sich Ultras wie die im Heimstadion verbotenen rechte Gruppe Inferno Cottbus, Collettivo Bianco Rosso oder WK13. Alle sind Ultras / Fans vom FC Energie Cottbus und in der Vergangenheit häufig durch rassistische und antisemitische Vorfälle negativ in Erscheinung getreten. So hat Inferno Cottbus vor 10 Jahren beim Spiel gegen Dynamo Dresden eine Fahne mit der Aufschrift "Juden" inklusive Dynamo-Emblem gezeigt. Rassistische Fangesänge gehören in der brandenburgischen Stadt immer noch zum Standardrepertoire und wenn man tiefer in die Fanszene von Cottbus eintaucht, werden die Überschneidungen zur regionalen Neo-Nazi-Szene in Südbrandenburg ersichtlich. Die engste Verbindung auf Ultra-Ebene besitzt Cottbus mit den NS-Boys (New Society) aus Chemnitz. Diese treten offen neonazistisch auf und sind bundesweit bekannt. Eine weitere Freundschaft pflegen die Rot-Weißen nach Polen zu den Ultras von Beskid Andrychów.

Flutlicht an, Augen auf

Die Gruppen Ultima Raka, Inferno Cottbus und Collettivo Bianco Rosso forderten einige Wochen vor dem Spiel alle Cottbusser Fans zum Boykott auf, da die Ticketpreise mit 15 Euro für einen Stehplatz übertrieben schienen. Als die ersten Gerüchte von einem Schlagabtausch zwischen Inferno Cottbus und Babelsberger Fans ein halbe Stunde vor Spielanpfiff die Runde machten, war jedoch klar, dass das mit dem Boykott wohl nur heiße Luft war. Brenzlig wurde die Luft zu Spielbeginn dann sowohl in der Nordkurve als auch im Gästeblock.

Das Filmstadt Inferno zeigte zu Beginn eine Wende-Choreografie aus Papptafeln sowie zwei Blockfahnen mit Pokal und Vereinsemblem. Untermalt wurde das Ganze mit 14 weißen Bengalen.

Cottbus zündete eine ordentliche Ladung schwarzen Rauch und zeigte ein Spruchband mit der Aufschrift "Filmstadt-Zecken sind widerlich. Euch fressen selbst die Schweine nicht".

Und los ging es! Babelsberg legte auf den Rängen mächtig los. Der Cottbusser Support zeigte sich eher durchwachsen. Ultima Raka bemühte sich, konnte allerdings nur circa 50 -70 Leute zum dauerhaften mitsingen animieren. Nur bei Klassikern zog kurzzeitig auch der komplette Gästeanhang von circa 1000 Leuten mit. Dann wurde es teilweise ziemlich laut. Inferno Cottbus, Collettivo Bianco Rosso und WK13 positionierten sich abseits von Ultima Raka in Richtung Nordkurve und fielen weniger durch Support als eher durch Hitlergrüße, "Asylanten"-Sprechchöre und einer Fahne mit der Aufschrift "ZCKN.ZGNR&JDN" (aka Zecken.Zigeuner & Juden) negativ in Erscheinung. Unterirdisch!

Ganz finster waren die Fanäußerungen im Gästeblock. Hier ein Spruchband mit der Aufschrift "Zckn, Zgnr & Jdn" (Zecken, Zigeuner & Juden) in Bezug auf die Babelsberger Fans. (Quelle: Sören Kohlhuber)

Auf dem Platz fiel in der ersten Halbzeit ein ansehnliches Tor für Cottbus. Sonst spielte Babelsberg gut mit und konnte auch eine Handvoll sehr guter Torchancen für sich verbuchen. Spielerische Unterschiede waren kaum zu sehen.

In der Halbzeit kostenlose Bierdusche und Stadionverweis für Thor Steinar

In der Halbzeitpause überschlugen sich die Ereignisse. Cottbus und Babelsberg zündeten auf beiden Seiten Böller und ab und zu rauchte es im Gästeblock. Hinter der Nordkurve versuchte die Polizei zwei vermeintliche Pyromanen festzunehmen, was aber schwierig war. So kam es zum kurzen Schlagabtausch mit kostenloser Bierdusche. Zwischendurch verwiesen die Ordner einen verirrten Thor-Steinar-Träger aus der Nordkurve und vom Stadiongelände.

In Halbzeit zwei hörte man es wieder knacken und der Geruch von gezündetem Rauchpulver strömte durch die Abendluft. Die Babelsberger Fans sorgten für eine große blaue Wolke gespickt mit Bengalen. Auch die Cottbusser Kurve zündete kurz vor Wiederanpfiff eine großzügige Ladung roten Rauch und Magnesiumfackeln. Babelsberg zeigte einige Spruchbänder, die den Kohleabbau um Cottbus thematisierten und dann auch eine Tapete, auf der in sorbisch zu lesen war "Wer das lesen kann, ist doof". Wie die Babelsberger Kurve dies vor sich selbst rechtfertigen kann, bleibt wohl ihr Geheimnis. In Potsdam gibt es eigentlich keine Akzeptanz für Witze über Randgruppen und Minderheiten, wie die Sorbische Minderheit in Brandenburg und Ostsachsen.

Rassistische Gesänge von Cottbus und Spielunterbrechung

Mit einem weiteren Spruchband forderte die Potsdamer Kurve "Asylrechtsverschärfung stoppen". Das bot den Anlass für den Cottbusser Anhang rassistische Gesänge anzustimmen und Böller Richtung Babelsberger Kurve zu werfen. Kurzzeitig entstand ein reger Austausch von Knallkörpern zwischen den verfeindeten Blöcken. Als ein Bengalo Richtung Nordkurve segelte, sprangen die ersten Babelsberger über den Zaun auf den Platz und das Spiel wurde unterbrochen. Cottbus ließ sich nicht lange bitten und erklomm ebenfalls den Zaun mit dem Ziel die Qualität des heutigen Spieluntergrundes zu testen. Die Polizei reagierte schnell auf diesen unangemeldeten Rasen-Check, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Im Anschluss wurde es wirklich laut, beide Seiten zeigten starken Support in den nächsten Minuten. Nur die Fahnen wurden vorsorglich von den jeweiligen Fanszenen abgenommen und das Spiel konnte nach der Unterbrechung weitergehen. Die Babelsberger Spieler drückten jetzt auf dem Platz und kamen dem Ausgleich ziemlich nahe. Ein wirklich sehenswertes Spiel zu diesem Zeitpunkt. Die Blau-Weißen auf dem Platz warfen alles nach vorne und waren hinten damit offen wie ein Scheunentor. Dadurch konnte Cottbus zur 90. Minute eine gute Freistoßsituation erzwingen, die schlussendlich zum 0:2 Endstand führte. Der Gästeanhang natürlich total am durchdrehen. Kurz danach war Schluss und die Anhänger*innen beider Vereine feierten ihr jeweiliges Team. Cottbus dann relativ schnell aus dem Block und anscheinend auch ohne größere Vorfälle abgereist. Die Babelsberger Fans liefen mit einem ansehnlichen Tifo und einer Menge Rauch in Richtung Kneipe bzw. Bahnhof. Auch hier sollte es keine Probleme mit den Gästen mehr geben.

Gegen Ende zeigten die Babelsberg Fans ein Spruchband, das sich auf die rechtsextreme Ultragruppe "Inferno Cottbus" (IC) bezog. (Quelle: Sören Kohlhuber)

Alles in allem ein attraktives Halbfinale mit zwei ebenbürtigen Mannschaften. Die ganze Atmosphäre war beeindruckend und ziemlich geil. Dass sich bei diesem Spiel politisch unschöne Szenen abspielen könnten, war wohl den meisten bewusst. Und leider hat sich Cottbus so verhalten, wie erwartet. Da passten die Spruchbänder von Babelsberger Seite wie "Nazischweine" mit hervorgehobenen "I" und "C" für Inferno Cottbus oder "Heut' kein Fackelmarsch ihr Fußballfans?" genau.

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Klein, aber schlagkräftig: Rechte Hooligan-Szene in Bremen

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Hannes Ostendorf ist Sänger der Hooliganband "Kategorie C - Hungrige Wölfe", hier bei HoGeSa in Hannover. Sein Name fällt jedoch auch im Zusammenhang mit Angriffen auf Ultras in Bremen immer wieder.
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Am Spieltag des 101. Nordderbys zwischen Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein wurden Bremer Ultras von Bremer Hooligans angegriffen. Und von der Polizei zum Ort des Geschehens zurück getrieben, wo es zu einer erneuten Schlägerei kam. Dabei hatte die Polizei ihren Anteil an der Eskalation und das leider nicht zum ersten Mal.

Von Lina Morgenstern

Einige Ultras hatten das ausverkaufte Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger HSV (1:0) außerhalb des Stadions in einer Kneipe gesehen. Nach dem Abpfiff begab sich die etwa 30köpfige Gruppe zum Weser-Stadion. Dabei passierten sie das "Verdener Eck", eine Stammkneipe von rechten Hooligans. Nachdem sie sich auf Anruf durch die dort Anwesenden als Bremer Ultras zu erkennen gegeben hatten, griffen die Hooligans sie an. Unter ihnen befanden sich laut Augenzeugen bekannte Gesichter, wie Hannes Ostendorf, Sänger der rechtsextremen Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe". Die Ultras flohen in die Richtung des Stadions, wo sie auf dem Deich von der Polizei festgesetzt und kontrolliert wurden. Nachdem sich das Stadion geleert hatte und große Teile der Bremer Fanszene auf den Deich strömten, riegelte die Polizei das Gelände ab, räumte die Kreuzung und ließ für sämtliche Ultras nur den Weg über die Verdener Straße weg vom Stadion und in Richtung der Hooligans im "Verdener Eck" frei. Augenzeugen berichten vom massiven Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz, mehrere Menschen wurden verletzt, mindestens eine Person schwer.

Polizei trieb Werder Fans in die Richtung rechter Hooligans

"Zurück am ´Verdener Eck´ war die Situation für die Hooligans und Ultras unübersichtlich. Die einen wurden von der Polizei unter Gewalteinsatz in diese Richtung gezwungen, die anderen müssen einen Angriff der Bremer Ultras als Antwort für den eigenen Angriff zuvor vermutet haben. Hier kam es wieder zu massiven Auseinandersetzungen", erklärt Fanprojektmitarbeiter Daniel Behm. Während der Geschehnisse wurden viele Menschen verletzt, auch mehrere Hooligans. Einer soll der Sänger der Hooliganband "Kategorie C" Hannes Ostendorf selbst sein, bestätigen ließ sich das durch Recherchen nicht. Jedoch postet Ostendorf seit dem Nordderby wiederholt "Fahndungsfotos" angeblicher Bremer Ultras die des "versuchten Totschlags" bezichtigt werden, auf seiner Facebook-Fanpage. Versehen sind die Bilder mit dem Hinweis man solle Informationen an die "Bremer Hoolizei" geben. Die Bilder werden jedoch schnell wieder gelöscht. Auch die Partei "Die Rechte" postete auf ihrem Facebookprofil eine Bildergalerie mit dem Titel "Antifa, UItras, Gewalttäter und ihre Unterstützer", in der zwei Fanprojektmitarbeiter und die Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke gezeigt wurden. Der Aufruf zur Selbstjustiz ist hier subtiler verpackt.

Hooliganszene in Bremen klein, aber schlagkräftig

Die Schlägereien vom Wochenende reihen sich ein in die Ereignisse der letzten Jahre. 2007 griffen Neonazis und rechte Hooligans gemeinsam eine Party antirassistischer Ultras im Bremer Ostkurvensaal an, unter den Angreifern soll auch Hannes Ostendorf gewesen sein. Nach dem Vorfall begannen Verein, Fanszene und Fanprojekt vermehrt gegen rechtsextreme Strukturen in der Bremer Fanszene aktiv zu werden. "Auch die Polizei hat teilweise sehr angemessen reagiert, als eine geplante Flyeraktion von Hools und Nazis vor dem Weser-Stadion schon im Vorfeld verhindert wurde", erklärt Pavel Brunßen vom Transparent Magazin. Er beobachtet die Entwicklungen in der Bremer Fanszene genau. Seit einigen Jahren sind rechte Hooligans und Neonazis aus dem Bremer Fanblock verschwunden und finden auch keine Möglichkeit mehr, wieder anzudocken. Sogar bei Auswärtsspielen stellte sich die Bremer Fanszene geschlossen gegen rechte Vereinnahmungsversuche. "Die Hooligans sind im Hintergrund immer noch da. Sie finden zwar keinen Raum mehr im Stadion, aber sie versuchen, wieder anzudocken und das gelingt ihnen bisher nur auf der Straße. Hier ist die Polizei in der Pflicht – und die Ereignisse vom diesjährigen Nordderby zeigen, dass es da Verbesserungsbedarf gibt", fährt Brunßen fort. 

 

Dieses Foto postete die "German Defence League" auf Facebook und am 23.04.2015 wurde es auch über den Kanal von Hannes Ostendorf geteilt. Kurze Zeit später verschwand es wieder, geschwärzt haben wir das. (Quelle: Screenshot Facebook)

Klares Polizeiversagen

Auch die Fanprojektmitarbeiter sehen die jüngsten Angriffe als Versuch der Hooligans, wieder Raum zu greifen. Und ärgern sich über das Vorgehen der Polizei, die die Ultras in die Arme der Hooligans getrieben hat. Polizeisprecher Dirk Siemering will das nicht so sehen. Er erklärte im Weser Kurier, dass sich die gewaltbereiten Gruppen gesucht und gefunden hätten. Auf Nachfrage von Fussball-gegen-nazis.de, ob die Polizei in ihrer Einschätzung der politischen Situation und der räumlichen Gegebenheiten nicht versagt hätte, erklärt er, dass die Geschehnisse derzeit aufgearbeitet würden und er zu laufenden Ermittlungen nichts sagen könne. Gelungen am Polizeieinsatz beim Nordderby findet er die Trennung der Fangruppen aus Hamburg und Bremen.

Nichts gelernt hat die Polizei also aus ihrer Fehleinschätzung beim letzten Nordderby 2014. Damals hatten rund 130 Hooligans und Neonazis versucht, das Bremer Weserstadion per Schiff zu erreichen. Mit dabei wieder Hannes Ostendorf, die Neonazi-Hooligans der Bremer Gruppe "Standarte" und Daniel Fürstenberg, ehemaliger Kandidat der NPD aus Verden. Vermummt und mit einem Transparent gegen den HSV fuhren sie die Weser hoch, bis sie von der Wasserpolizei gestoppt wurden und am Martini-Anleger das Schiff verlassen mussten. Eine lasche Personenkontrolle später konnten sich die Hooligans unbehelligt in der Stadt verteilen und griffen Passant*innen und auch die Journalistin Andrea Röpke an, die mit einem Taxi fliehen konnte. Auch diesen Spieltag bezeichnete die Polizei im Nachhinein als "relativ friedlich".

"Die rechte Hool-Szene in Bremen ist klein, aber sehr aktiv und schlagkräftig. Außerdem gibt es Verbindungen zu den Hells Angels, da entsteht eine beängstigende Situation", erklärt Thomas Hafke, Mitarbeiter im Fanprojekt Bremen. Er war 2007 auch bei den Aufarbeitungen des Angriffs auf den Ostkurvensaal beteiligt und kritisiert die milden Strafen gegen die beteiligten Hooligans. "Die Angreifer von 2007 waren auch bei den Auseinandersetzungen um das Nordderby wieder beteiligt."

Hooligans drängen auf die Straße und wieder in die Kurven

Besonders Hannes Ostendorf, Sänger von Kategorie C, taucht immer wieder auf. Seit 2014 ist er bundesweit in die Schlagzeilen gekommen, weil seine Band die Musik zu den Demonstrationen der Hooligans gegen Salafisten geschrieben hat. In Bremen darf die Gruppe laut dem Innensenator Ulrich Mäurer (CDU) zwar nicht auftreten, in Köln stachelte sie jedoch 4500 Hooligans zu den Ausschreitungen an und brüstet sich dafür bis heute auf ihrer Facebookseite. Im Zuge von HoGeSa ist das Erstarken der rechten Hooligans offensichtlich geworden, das bis dahin nur für Fanszenekenner auffällig war, nachdem in Aachen oder Braunschweig antirassistische Ultras die Kurven verlassen haben und die rechten Fans und  Hooligans wieder dominieren. In den vergangenen Monaten war es in einigen Stadien, wie in Düsseldorf sogar zu Übergriffen rechtsgerichteter auf antirassistische Fans im Stadion gekommen. Und auch die Bremer Hooligans testen offensichtlich, wie weit sie gehen können und drängen getragen von der Resonanz auf HoGeSa zurück Richtung Weser-Stadion.

"Ohne die rechtsextremen Hooligans gäbe es keine starke rechte Szene, wie das Beispiel Dortmund zeigt. Fußball spielt eine grundlegende Rolle und ist eine zentrale Rekrutierungsplattform für Nazis", erklärt auch der Rechtsextremismusexperte und Journalist Olaf Sundermeyer in der ZDF Dokumentation "Radikale Fußballfans". Diese war kurz nach dem Nordderby gelaufen und passt zur aktuellen Diskussion. Im Film spricht ein Bremer Fan das erste Mal öffentlich über einen Angriff von Bielefelder Hooligans auf ihn und seine Freunde, bei dem er selbst fast gestorben wäre. Die Dokumentation wirft Schlaglichter auf das Problem der Gewalt im Fußball und nimmt auch das Erstarken der Hooligans durch ihre Rolle bei HoGeSa sowie ihre aktive Beteiligung an der Pegida-Bewegung unter die Lupe. Zwar gibt es in Bremen keine Pegida-Kundgebungen, aber von der Hansestadt aus werden HoGeSa-Demonstrationen unterstützt.

Nach dem Weckruf 2007 hat sich in Bremen sehr viel getan, Fanszene und Verein sind sensibel für das Problem mit rechten Fans. Auch nachdem Stadionverbote für rechte Gewalttäter ausgelaufen waren, konnten diese nicht wieder in der Fanszene andocken. Es ist nun an der Polizei, sich über die Entwicklungen auf den neuesten Stand zu bringen und politisch motivierte Übergriffe strafrechtlich zu verfolgen, anstatt sie räumlich zu begünstigen.

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Messerattacke durch rechte Hooligans in Wuppertal

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Mitte März ging Wuppertal als "Hauptstadt des Hasses" durch die Schlagzeilen - Anhänger von HoGeSa schlossen sich einer Pegida-Demonstration an, sprengten diese aber nach kurzer Zeit.
Felix Huesmann
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In Wuppertal griffen rechte Hooligans Besucher des Autonomen Zentrums an und verletzten eine Person mit Messerstichen lebensgefährlich. Der Mann liegt weiter im Koma. Die Angreifer sollen im Vorfeld der Attacke mit rechten Parolen und "HoGeSa"-Rufen provoziert haben.

Von Felix Huesmann, Erstveröffentlichung bei Vice.com

Samstagnacht vor zwei Wochen (11. April), gegen 01Uhr. Drei Männer tauchen vor dem Wuppertaler Autonomen Zentrum auf und provozieren die Besucher mit "HoGeSa"-Sprüchen. Wenig später kommt es zum Angriff: Einer der Männer sticht einem 53-jährigen AZ-Besucher mehrfach in den Rücken und verletzt ihn lebensgefährlich. Selbst zwei Wochen später liegt das Opfer weiter im künstlichen Koma. Nachdem die Täter erst unerkannt fliehen konnten, sitzt einer von ihnen mittlerweile in Untersuchungshaft.

Dazu, was nach dem Angriff geschehen ist, gehen die Darstellungen auseinander. Nachdem der Verletzte in den Räumen des Autonomen Zentrums in Sicherheit gebracht und ein Krankenwagen gerufen wurde, traf auch die Polizei am Tatort ein. Die schreibt wenige Stunden später in einer Pressemitteilung: "Erst durch den Einsatz von Pfefferspray und mittels Schlagstock konnten die Einsatzkräfte den Verletzten zur weiteren ärztlichen Versorgung aus dem Gebäude retten." Mehrere lokale Medien übernehmen diese Version.

Zwei Tage später weist das Autonome Zentrum die Darstellung auf seiner Website zurück. Erste Rettungskräfte hätten direkt mit der Erstversorgung begonnen, die Polizei den Notarzt aber nicht ohne großes Polizeiaufgebot  ins Haus gelassen und seine Hilfe damit verzögert. Weiter heißt es, die Polizei hätte später wahllos mehrere Türen eingetreten, um nach möglichen Tätern zu suchen—dabei habe man den Beamten extra den Schlüsselbund ausgehändigt.

Tatsächlich liest sich die Pressemitteilung der Wuppertaler Polizei ein wenig so, als seien die AZ-Besucher selbst die Täter. Wie es von der Staatsanwaltschaft heißt, wurden alle zunächst als Beschuldigte vernommen. Die Wuppertaler Polizei will sich dazu nicht äußern und verweist auf die Staatsanwaltschaft. Genaue Angaben dazu, was nach dem Notruf passiert ist, kann oder will man aber auch hier nicht machen.

Wer sind die Täter?

Nach dem Angriff waren die drei Täter zuerst unerkannt geflohen. Die Polizei fand wenig später in der Nähe des Autonomen Zentrums einen 25-jährigen mit mehreren Schnittverletzungen und brachte ihn ins Krankenhaus. Woher die Verletzungen stammen, ist unklar. Der Mann stritt zunächst ab, in den Angriff verwickelt gewesen zu sein, sitzt jedoch mittlerweile in Untersuchungshaft. Zeugen hatten ihn beschrieben und an der später gefundenen Tatwaffe fand das LKA sein Blut. Auch die beiden anderen mutmaßlichen Täter sind mittlerweile ermittelt. "Gegen die liegt aber kein dringender Tatverdacht vor", sagt die Wuppertaler Staatsanwältin Monika Olschak. Deshalb sind die Männer weiterhin auf freiem Fuß.

Der 25-jährige Messerstecher gab seine Tat inzwischen zu, versucht aber, sie als Notwehr darzustellen. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Zu den genauen Geschehnissen will die Staatsanwältin hält sich die Staatsanwaltschaft bedeckt und verweist auf die laufenden Ermittlungen. Die zwei anderen Tatverdächtigen sagen nichts - das Opfer des Angriffs liegt weiterhin in einem künstlichen Koma und kann nicht befragt werden.

Täter ist durch rechte Straftaten bekannt

Klar ist aber: Der 25-jährige mutmaßliche Täter ist laut Staatsanwaltschaft auch vorher schon durch rechte Straftaten aufgefallen. Äußerungen von Neonazis auf Facebook scheinen nahezulegen, dass es sich dabei um den Wuppertaler Patrick P. handelt.

Schon zwei Tage nach dem Angriff schrieb der Oberhausener Neonazi Mario L. auf seiner Facebook-Seite und der lokalen Seite der Neonazipartei "Die Rechte" unter der Überschrift "Kurze Klarstellung zum Vorfall in Wuppertal Samstag Abend": "Erstmal gute Besserung an Patrick P. Einer meiner besten Kumpels!" Außerdem, so Leisering, sei das keine HoGeSa-Aktion gewesen: "[...] und nur mit drei Leute gezielt im AZ Wuppertal auftauchen? Sorry dann wären es mindestens 100 von uns gewesen!" Das klingt wie eine Fantasie des rechtsradikalen Hooligans, der sich scheinbar mit größeren Angriffsversuchen auf linke Veranstaltungen auskennt.

Schon im März hatten vier Hooligans nach der Pegida-Demonstration in der Stadt vor dem Autonomen Zentrum gepöbelt, mit Flaschen geworfen und wurden von der Polizei festgenommen.

Rechte Gewalt: In Wuppertal nichts Neues

Der Angriff war vielleicht der bislang krasseste, aber längst nicht der erste Fall von rechter Gewalt in Wuppertal. Es gibt in der Stadt eine aktive Neonazi-Szene, die sich mittlerweile wie auch in Dortmund in der Partei "Die Rechte" organisiert, seit Jahren häufen sich gewalttätige Überfälle. Zwei Tiefpunkte aus einer langen Liste: 2010 hatten 15-20 Neonazis die Premiere eines Dokumentarfilms über die rechte Szene in Wuppertal angegriffen und die Besucher unter anderem mit Pfefferspray attackiert. 2011 griffen Neonazis linke Besucher eines Flohmarktes an. Dabei prügelten sie unter anderem mit Schlagstöcken und Fahnenstangen auf die Köpfe ihrer Opfer ein.

Für die Betreiber des Autonomen Zentrums ist aber nicht nur die rechte Gewalt in Wuppertal ein Skandal. Sie werfen besonders Polizei und Staatsanwaltschaft vor, die rechte Gewalt immer wieder zu verharmlosen. Die Polizei wollte sich zu den Vorwürfen auch auf Anfrage nicht äußern.

 

Vice.com berichtete auch mit diesem Video von der HoGeSa-Demonstration in Köln 2014:

Das nächste Ziel der Hooligans wird übrigens Erfurt sein. Am 2.Mai kündigt die HoGeSa-Abspaltung "Gemeinsam stark Deutschland e.V." eine Demonstration in der Thüringer Landeshauptstadt an. Dagegen mobilisiert das Bündnis "Platzverweis". Weitere Infos bei Noway. Und via Twitter up to date bleiben: @platzverweisEF Hashtag #nowayEF

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#2MaiEF – Neonazis und Hooligans demonstrieren in Erfurt

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Etwa 250 Neonazis und rechte Hooligans folgten dem Aufruf von "Gemeinsam stark Deutschland".
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Am Wochenende demonstrierten 250 rechte Hooligans von "Gemeinsam Stark Deutschland" in Erfurt. Das Spaltprodukt der "Hooligans gegen Salafisten" hatte den Aufmarsch zuvor mehrfach verschoben. Den Hooligans stellten sich 500 Menschen entgegen und störten die Rechten mit mehreren kleinen Blockaden. Schon vor Beginn der Hooligan-Demonstration wurden Journalist*innen bedroht und angegriffen.

Von Lina Morgenstern

Die Demonstration von Hooligans und Neonazis in Erfurt am Samstag stieß auf breiten Gegenprotest. Das Bündnis "Platzverweis für rechte Hooligans" mobilisierte etwa 500 Menschen in die Thüringische Landeshauptstadt, die gegen den zweiten Naziaufmarsch in Erfurt an diesem langen Wochenende demonstrierten. "Gemeinsam stark Deutschland" (GSD) hatte die Demonstration bereits zweimal angekündigt und dann wieder verschoben. "Dabei bezieht sich schon das Motto ´Hand in Hand, für unsere Kinder und unser Land!´ ganz unverblümt auf die rassistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, für die NPD und Neonazis das angebliche Wohl der Kinder in Erfurt instrumentalisieren", erklärte das Bündnis "Platzverweis" im Vorfeld. Trotz der Erfahrungen aus vorangegangenen HoGeSa-Demonstrationen ließ die Stadt Erfurt die rechten Hooligans vom Domplatz durch die Altstadt laufen. Erfurter Bürger*innen protestierten wie am 1.Mai gegen die NPD auch am 2.Mai mit klassischer Musik gegen die rechten Hooligans und übertönten deren Reden.

Als Redner sprach ein führender Pegida-Kopf

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch einen Mann mit großem Dynamo-Dresden-Tattoo, der die Gegendemonstrierenden als "Affenköpfe" beschimpfte und auch weiter keine wertvollen Inhalte zum Besten gab. Top-Redner war "Ignaz" von der "Demokratischen Partei" aus der Schweiz, der den Hooliganismus in Deutschland lobte. Als Letzter sprach ein bekanntes Gesicht, Edwin Wagensveld. Man kennt den Holländer von der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Besonders in Leipzig organisierte er die Aufmärsche des Ablegers Legida mit, die maßgeblich durch Fußballhooligans getragen werden. Aber auch in Dresden hetzte er auf zahlreichen Pegida-Demonstrationen als Redner. Zu Beginn seiner Ansprache in Erfurt begrüßte "Ed" einen der anwesenden Journalisten persönlich, was auf Twitter als Einschüchterungsversuch gewertet wurde. Im Vorfeld und auch während der Demonstration der Hooligans kam es wiederholt zu Drohungen gegen und Angriffen auf anwesende Pressevertreter*innen. Zusätzlich zu den Rednern spielte ein Liedermacher und viele Hooligans sangen gemeinsam "Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen".

"Gemeinsam Stark Deutschland" sieht sich als Weiterentwicklung von überparteilichen Aktionsbündnissen, wie Pegida und HoGeSa. Schon die erste Demonstration in Ludwigshafen im Februar, die von dem Pro-NRW Mitglied Roeseler angemeldet und auch von NPD-Aktivisten besucht wurde, konnte jedoch schwer als überparteilich bezeichnet werden. Auch "extremistisch" will man hier nicht sein, GSD beruft sich aber offen auf den Neonazi-Slogan "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!". Bei GSD aktiv sind dabei einige Ex-HoGeSa-Aktivisten, wie Sven H. alias "Captain Flubber" und auch Andreas K. aus Herne soll inzwischen beim neuen Verein mitarbeiten. In der Rhein-Neckar-Region gibt es lange bekannte Verstrickungen von organisierten Neonazis und Fußballhooligans. Ähnliches spielt sich in Thüringen ab, in der Landeshauptstadt Erfurt war erst Ende Januar der verschwörungstheoretische "EnDgAmE"-Aufmarsch von den "Patriotischen Europäern gegen die Amerikanisierung Europas" auch aus dem Fußballmilieu unterstützt wurden.

Teilnehmende aus dem gesamten Bundesgebiet

Statt der angemeldeten 600 kamen dann aber nur 200-250 Hooligans nach Erfurt. Die Teilnehmenden der GSD-Demonstration reisten aus dem gesamten Bundesgebiet an: Berlin, Essen, Wolfsburg, die schon durch HoGeSa bekannten "Berserker Pforzheim" sowie Gruppen aus Magdeburg und Thüringen. Unter sie mischten sich organisierte Neonazis, die laut Augenzeug*innen teils auch am 1.Mai bei den rechtsextremen Demonstrationen in Erfurt und Saalfeld teilgenommen hatten. In Saalfeld folgten 700 Neonazis einem Aufruf der Partei "Der Dritte Weg", dabei kam es zu einem gewalttätigen Übergriff der Neonazis auf Gegendemonstrant*innen, mehrere Menschen wurden verletzt. In Erfurt konnten die Hooligans ihre Runde durch die Altstadt weitgehend ungehindert laufen. Während der Demonstration wurde dabei ein Journalist tätlich angegriffen. Die Polizei ermittelt.

In der Bilanz des Tages verkündete das Aktionsbündnis "Platzverweis" auf Twitter die resignierte Botschaft: "Erfurt ist die erste Stadt seit Köln, in der die Hooligans dank Stadt und Polizei laufen konnten." Bedankt wurde sich trotzdem bei den hunderten Gegendemonstrant*innen, von denen viele aus dem Antifa-Spektrum stammen. Jedoch zeigten gegen die Hooligandemonstration auch einige Politiker*innen Gesicht, so die Landtagsabgeordnete Katharina König (Die LINKE), die Erfurter Stadträtin Astrid Rothe-Beinlich (Grüne) und der Erfurter Stadtrat Andreas Horn (CDU). In der Thüringer Allgemeine erklärt dieser zu den zahlreichen Kundgebungen des Maiwochenendes: "Jede Gegendemo der demokratischen Kräfte ist extrem wichtig." Auch Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die LINKE) verfolgte via Twitter die Ereignisse rund um die Demonstration in Erfurt, nahm aber nicht an den Gegenprotesten teil. 

 

Zahlreiche Fotos von der Demonstration hat Soeren Kohlhuber auf Flickr.com zur Verfügung gestellt.

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"Sturm auf den Reichstag" trotz zahlreicher Hooligans gescheitert

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Eine Gruppe von Hooligans aus Wolfsburg und Kaiserslautern posierte für die Presse. Frauen wurden in den Mittelpunkt des Bilds gestellt, auch eine beliebte Taktik bei Neonazis.
Redaktion FgN

Am Wochenende trafen sich 350 Menschen zum "Sturm auf den Reichstag" in Berlin, konnten aber nur vor dem Hauptbahnhof demonstrierten. Angekündigt waren 50.000 Teilnehmende. Fast die Hälfte der Anwesenden kam aus dem Hooligan-Milieu. Die erwartete russische Motorradgang "Nachtwölfe" wurde nicht gesichtet. Das "Bündnis 9.Mai" meldete mehrere Kundgebungen gegen die rechtspopulistische Veranstaltung an.

Von Redaktion Fussball-gegen-nazis.de

"Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen", schallt es immer wieder über den Washingtonplatz in Berlin. Hier treffen sich heute Reichsbürger*innen, Friedensbewegte, Neonazis, rechte Hooligans und Pegida-Anhänger*innen. Sie wollen den Reichstag stürmen, um für "Heimat, Frieden und den Erhalt der deutschen Kultur" einzutreten. Sie halten das deutsche parlamentarische System für gesteuert, die Bundeskanzlerin für eine Marionette des "US-Imperalismus". Es ist Samstag, der 9. Mai, 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs. Traditionell wird an dieser Tag als "Tag des Sieges" in der ehemaligen Sowjetunion gefeiert, mit einem großen Fest begehen Linke und in Berlin lebende Russ*innen diesen Tag der Befreiung. Der 9. Mai als Datum der Demonstration ist einerseits ein Affront gegen antifaschistische Ideen, andererseits setzt es ein Zeichen des Schulterschlusses der deutschen Rechtspopulist*innen mit Russland.

Vor dem Berliner Hauptbahnhof versammelt sich dann eine diffuse Mischung rechter Gruppierungen. 50.000 Teilnehmer*innen hatten die Organisatoren angekündigt, 350 Menschen sind gekommen. "Einer der beiden Anmelder ist NPD-Mitglied, der Bundesvorsitzende von Pro Deutschland soll reden und der Publizist Jürgen Elsässer, der für das rechte Spektrum der Montagsmahnwachen steht und ein ultrakonservatives Familienbild propagiert" erklärte die Sprecherin vom "Bündnis 9.Mai" im Vorfeld in der taz. Das Bündnis mobilisierte mehrere Hundert Menschen zu den Gegenprotesten rund um das Bundestagsgebäude.

Zahlreiche Hooligans neben Fans von Jürgen Elsässer

Mit kräftigen "Ahu"-Rufen gesellten sich kurz nach Beginn der Kundgebung rechte Hooligans aus Wolfsburg, Magdeburg und Thüringen zu selbst ernannten Patriot*innen. Viele sind über ihre Kleidung als Supporter der "Hooligans gegen Salafisten" erkennbar. Sie stehen neben Reichsbürger*innen, Pegida-Anhänger*innen, Neonazis und Mitgliedern der Identitären Bewegung. Es mischen sich Deutschland-, Russland-, Israel- und Wirmerflaggen. Noch gibt es keine Reden, also lausche ich den Anwesenden. Die unterhalten sich aufgeregt über neueste Machenschaften der "Lügenpresse" oder ihre vermeintlichen Erfahrungen mit gewalttätigen Asylsuchenden. Ein Rentnergrüppchen bespricht die Gefahr durch US-Geheimdienste, einer der Sprecher klärt dann aber auf: "NSA ist ein deutsches Gebiet am Südpol".

Schließlich startet die Kundgebung offiziell. Jürgen Elsässer, Publizist und bekannter Vertreter des Querfront-Gedankens von antidemokratischen Rechtsaußen- und Linksaußen-Kräften, ist der erste Redner. Journalist*innen betreten die Kundgebung und werden von der Menge mit "Lügenpresse" Rufen begrüßt. Hinterher wird man sich auf Facebook beschweren, dass die Presse nicht berichtet hat. Während Elsässers Rede wechselt das Geschrei, "Volksverräter" ist die Antwort auf Elsässers Kritik an der deutschen Regierung.

Angriff auf Gegendemonstrierende

Gegen 16.00 Uhr verliert der Querfront-Publizist die Aufmerksamkeit. Eine Gruppe mit Antifa-Fahne schafft es, zur rechten Kundgebung vorzudringen. Sie stehen an der Absperrung und protestieren mit lauten Sprechchören, Trillerpfeifen und Schildern. "Refugees are welcome here" und "Nazis raus" ist der Tenor. Auf dem Platz entsteht Hektik, "erlebnisorientierte" Hooligans rennen auf die Absperrung zu, eine Flasche fliegt und verfehlt eine Passantin nur knapp. Die Polizei ist bemüht, die Lage wieder in den Griff zu bekommen, und drängt die Hooligans zurück. Der Gegenprotest wird in den Bahnhof geschickt. Die Protestierenden singen zum Abschied "Ihr habt den Krieg verloren!", die Hooligans begleiten die Szene mit dröhnenden "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" und "Antifa, Hurensöhne"-Chören. Vor Ort ist auch die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, Bianca Klose: "In dieser Situation hat sich klar gezeigt, wes Geistes‘ Kind diese Leute sind – da zeigt jemand eine Antifa-Fahne und sie drehen völlig durch", sagte sie gegenüber der taz.

Auf der Rednerliste kuschelt JewGIDA mit ProDeutschland

Nach der kurzen Unterbrechung können die Demagog*innen vor dem Bahnhof wieder ungestört hetzen. Als zweiter Redner tritt JewGIDA-Macher Sam Inayat-Christi auf, der von einer Handvoll Unterstützer*innen begleitet wird. Im Aufruf zum "Sturm auf den Reichstag" positioniert man sich gegen Zionismus. Die Israel-Fahnen der JewGIDA mischen sich wie selbstverständlich unter diese Demonstration der Splittergruppen. Einer der Träger sagt, er sei zwar mehrfach von Neonazis auf der Kundgebung angepöbelt worden. Er verstehe sich aber als Patriot und habe seinen Platz in der GIDA-Bewegung gefunden. Schon bei Bärgida habe sich JewGIDA gegen die NPD´ler stark gemacht, die ihm auch heute wieder begegnet seien (ngn berichtete).

Nach JewGIDA spricht ein Syrer, der in Leipzig bei Legida mitmischt und über die vermeintliche Gefahr von Islamisierung und "Asylbetrug" aufklärt. Er selbst ist aber froh, dass so viele syrische Christen in Deutschland Zuflucht finden können. Im Publikum wird gemault, dass man "die alle" mit den eigenen Steuergeldern subventionieren müsse. Aufs Rednerpult kommt auch Manfred Rouhs, der Bundesvorsitzende von "Pro Deutschland". Für ihn sind Deutschland und Russland direkte geografische Nachbarn und weil ihm die Jacke näher sei als die Hose, findet er, dass man mit Russland kooperieren müsse. Für die USA hat er nur Verachtung übrig, die teilt er mit den Verschwörungstheoretiker*innen im Publikum. Auf die Bühne schafft es auch ein AfD-Landtagskandidat aus Thüringen. Heiko Bernardy ist den Anwesenden bekannt. Im Januar wurde er als Mitarbeiter der AfD entlassen, weil er bei Thügida als Redner aufgetreten war. Der Thüringer Verfassungsschutz hält den Pegida-Ableger als von Rechtsextremen organisiert und gesteuert. Und in der GIDA-Bewegung sammeln sich die AfD´ler*innen, die wie Tatjana Festerling für die rechtspopulistische Partei zu extrem sind.

Teilnehmer des "Sturm auf den Reichstag" blickt sinnierend auf den Gegenprotest am anderen Ufer. (Bildquelle: Redaktion FgN)

"Ihr seid Weltmeister, ihr seid das Volk, ihr seid Rostock-Lichtenhagen"

Auf der anderen Seite der Spree halten seit mittlerweile drei Stunden um die 500 Menschen eine Gegenkundgebung ab, zu der auch "Berlin gegen Nazis" mobilisiert hatte. Mit großen Transparenten in Richtung der rechten Kundgebung setzten sie Zeichen gegen Nazis und für Willkommenskultur. "Wir sind heute hier, damit die Nazis nicht ungestört ihre rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Ansichten verbreiten können", erklärte die Sprecherin vom "Bündnis 9. Mai". Weil ein Reichsbürger wiederholt zur Provokation mit seiner Fantasiefahne in die Kundgebung lief, kam es zu einer kurzen Rangelei mit einem Gegendemonstranten, der dem Mann die Fahne abnehmen wollte. Daraufhin setzte die Polizei den Gegendemonstranten fest und wollte ihn im Auto wegfahren. Dabei verlor ein Polizist offenbar kurz die Kontrolle und fuhr mit dem Fahrzeug in die Menge der Gegendemonstrant*innen. Nur durch Glück wurde niemand verletzt.

Unter die Kundgebung zum Sturm auf den Reichstag mischt sich auf einmal Henryk M. Broder. Der Kolumnist der WELT ist mit einem Kamerateam vor Ort, plaudert mit Demonstrierenden und filmt die Szene. Währenddessen kommt der schon mehrmals angekündigte Gast aus England auf die Bühne. Es ist Janet Lopino, sie stammt aus Sachsen, ist ausgewandert und beobachtet die Geschehnisse in ihrer Heimat mit "Sorge". Am meisten "Angst" hat sie vor der Sexualerziehung an Schulen, Asylsuchenden und der deutschen Regierung. Wie viele andere hier propagiert sie, dass Deutschland seit 1945 besetztes Gebiet sei und überhaupt eine "BRD GmbH". Die einzige Sächsin ist sie hier nicht. Obwohl Pegida-Chef Lutz Bachmann seine Unterstützung der Kundgebung versagt hat, sogar gegen die "Spalter" hetzt, sind viele Pegida-Anhänger*innen aus Dresden und Leipzig hier. Ordner, die erkennbar an ihrem Dialekt und auch ihren Erzählungen aus Dresden kommen, sichern die Veranstaltung ab. Inoffiziell unterstützt werden sie dabei von den Hooligans. Man kennt das von Pegida.

Als sich der "Sturm auf den Reichstag" in der wirklichen Welt auflöst, zieht er sich zurück in der Online-Welt. Auf der Facebookseite unterhalten sich die Dagewesenen über das Ereignis, kritisieren, dass die letzten Redner von der "Antifa" gewesen seien und welch regierungsgesteuerter Verräter Lutz Bachmann wäre. Warum sie, die alle die Vereinigten Staaten von Amerika so hassen, ihre Meinungsfreiheit ausgerechnet einem US-Konzern wie Facebook anvertrauen, fragt sich dabei niemand. Sie standen ja in Berlin auch ohne zu Murren auf dem "Washingtonplatz".

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